Tote Finnen tanzen keinen Tango: Kriminalroman (German Edition)
»Du warst doch in dem Häuschen am Campingplatz, als ich den Schlüssel brachte. Was war das für einer? Bist du ohne Erlaubnis irgendwo rein?«
32
28. Juni Die alte Frau saß auf demselben Spitzelposten wie beim letzten Mal und wedelte mit dem Stierkampffächer vor der gepuderten Nase. Sie erkannte Kuhala schon von Weitem, sodass sie es schaffte, rechtzeitig die Mundwinkel nach unten zu biegen und den Nacken zu versteifen. Sie war die Grand old Lady der Huutokorventie, ihre Kombination aus weißem Wickelrock, weißer Bluse, weißen Pumps und weißem Sonnenhut mit gewellter Krempe erinnerte Kuhala auch an etwas Jenseitiges.
Vom Rand des Trimmpfads schallten die obszönen Kraftausdrücke von Jugendlichen herüber. Die Frau tat so, als hörte und merkte sie nichts. Sie trug Nylonstrumpfhosen an den für ihr Alter wohlproportionierten Beinen, deren anmutige Haltung den Lehren der Mannequinkurse entsprach. Wenn Bootsverleiher Karhunen eine Reinkarnation des Schauspielers Harald Madsen und Grabsteinvertreter Perttu Kane ein Windkraftwerk auf zwei Beinen war, so ging die alte Frau leicht als Marlene Dietrich durch.
Nevakivi hatte Kuhala aus dem Büro gejagt, bevor dieser in seinem Plädoyer für Pekka Koponen richtig in Fahrt gekommen war. Der junge Mann hatte gestanden, den Passat benutzt zu haben, und erzählte der Polizei das Gleiche, das er auch Kuhala erzählt hatte. Hinter Stapeln von Verhörprotokollen, Tatortanalysen und wer weiß was für Bergen von Papieren fuhr sich Nevakivi durch die Haare. Sein Gesicht glühte immer mehr, je weiter Pekka mit seiner Geschichte kam und sich herausstellte, dass Kuhala die ganze Zeit zwei Schritte voraus zu sein schien.
Inzwischen war es bereits Montagabend, und Kuhala bildete sich über seine Fortschritte nicht allzu viel ein. Zuerst wurden seine Erwartungen hinsichtlich der Schuld von Kai Vikman enttäuscht (niemand erwähnte auch nur mit einem Wort einen Abschiedsbrief mit Schuldeingeständnis), dann wurde seine Schulderwartung bei Pekka Koponen enttäuscht (zum Glück).
»Wie geht es Ihrem Hund?«
Kuhala löste die Hand von der Haustürklinke und drehte sich um. Die Unterbrechung kam zur rechten Zeit, denn er merkte, dass er schon wieder mit seinem Treppenhausproblem zu kämpfen hatte.
»Jeri? Großartig. Ich hab ihn zu einem Freund gebracht.«
»Meltaus ist nicht zu Hause.«
»Ach ja? Sie scheinen Gedanken lesen zu können. Woher wussten Sie, dass ich zu ihm will?«
»Beim letzten Mal haben Sie so lange vor seiner Tür herumgestanden, dass es einem nicht verborgen bleiben konnte.«
Kuhala zog der Frau eine Grimasse und schob die Sonnenbrille auf die Stirn. »Da Sie schon so lange mit ihm in einem Haus wohnen, wissen Sie vielleicht auch, wo er hingegangen ist. Für die entsprechende Information wäre ich Ihnen sehr dankbar. Er ist nicht etwa zum See?«
Die Frau sagte, sie habe erst vor Kurzem einige Worte mit ihrem Nachbarn gewechselt. »Eero ist zu seinem Häuschen auf der Insel Majasaari gefahren. Ein wunderbarer Mann. Elegant, gesellig, und mein Gott, was hat er mir schon für atemberaubende Düfte geschenkt!«
Sie schien das Wortgefecht bei Kuhalas letztem Besuch ebenso gründlich vergessen zu haben wie ihre Hochnäsigkeit von vor wenigen Minuten. Nun redete sie freimütig mit Kuhala, wobei sie ihm zwischendurch kräftig geschminkte Blicke über den Fächer hinweg zuwarf, als hätte sie vierzig Jahre ihres Lebens zurückbekommen. »Eero bringt mir von seinen Auslandsreisen immer was Kleines mit. Zuletzt aus Holland. Er ist so aufmerksam, auch wenn es nur Proben sind. So pflegt man eine gute Nachbarschaft … Jetzt wollen Sie natürlich wissen, wie ich mich bei ihm revanchiere.«
Ihr Lachen begann mit einem lautlosen, den Oberkörper zum Vibrieren bringenden Anfall und verwandelte sich dann in ein Krähen, das ihr die Tränen in die Augen trieb. Kuhala nahm mit einem Lächeln Anteil, machte sich dann aber Sorgen und stellte sich schon darauf ein, Erste Hilfe leisten zu müssen, weil der Anfall einfach nicht aufhören wollte. Die Frau keuchte und rang nach Luft, der Fächer malte Halbkreise in die Luft, auf den Wangen vereinigten sich die Wimperntuscherinnsale. »Es ist nicht das, was Sie glauben …«
»Ich glaube gar nichts.«
»Und ich bin auch keine von den Omis, die Apfelkuchen backen.«
»Das wiederum glaube ich gern.«
»Eero bekommt von mir … Ei… Ei… Einrichtungstipps.«
»Herrschaftszeiten«, seufzte Kuhala. »Sagen Sie, gnädige Frau,
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