Tote Finnen tanzen keinen Tango: Kriminalroman (German Edition)
Teppichklopfplan.
Kuhala spürte den Handschuhgriff der Panik in seinem Inneren und war sicher, sterben zu müssen. Wie ein Ertrinkender griff er nach dem Geländer und machte einen vorsichtigen Schritt nach unten. Ein neues As der Aufschlagkanone ließ ihn zusammenfahren: Das Alltägliche, Langweilige, Ereignislose und Sichere lähmte die Panik, der Anfall verschwand so plötzlich, wie er gekommen war. Er drehte das Pappschild mit den Klopfzeiten um und nahm vier Stufen auf einmal, bis er das Stockwerk des jungen Mannes erreicht hatte. Das Klingeln war gar nicht so schlimm, mit mentalem Training würde man sich daran gewöhnen können. Man müsste nur fleißig bei den Leuten schellen, bei den Wenigsten würde einem etwas entgegenfliegen.
Vielleicht sollte er anfangen, den Wachturm auszutragen?
»Hallo?«
»Hallo, hoffentlich störe ich nicht«, sagte Kuhala.
Pekka Koponen sah aus, als wäre er gerade aufgewacht, und kein bisschen so, als wäre er über Kuhalas Kommen erstaunt. Vielleicht hatten die Verlockungen der Sommernacht den jungen Mann mitgerissen, und das hier gehörte noch zu seiner normalen Ruhezeit. Er hatte seine Mütze abgelegt und riss im Türspalt den Mund zu einem Gähnen auf, das die Kiefergelenke auf die Probe stellte.
»Kann ich kurz reinkommen? Du hast am See aufgehört?«
»Ja, ja. Komm nur rein. Ist ein bisschen unordentlich.«
»Macht nichts. Du bist in Hartola und Orivesi in einem roten Passat gesehen worden, am Tag nach dem Verschwinden von Kriminalhauptmeister Antikainen.«
An der linken Wand des Apartments stand eine orangefarbene Couch, unter dem Fenster thronte ein Einundzwanzig-Zoll-Fernseher. Rechts lag eine Bohemienmatratze mit einer zum Berg geknautschten Decke. Kuhala war noch immer nicht ganz in Form, er lehnte sich an den Türrahmen und ließ den Blick vom Nostalgie weckenden Che-lebt-Poster zum Laptop auf dem Ecktisch und der Six-Pack-Pappe daneben schweifen.
Pekka hatte ihm den Rücken gekehrt und zog sich ein T-Shirt an. Er war auf der Hut, als lauschte er in sich hinein, um festzustellen, wie schwer die Neuigkeit die empfindliche Ökologie seiner jugendlichen Gedanken beschädigt hatte.
»Auf der Fahrt hattest du genau dieses Strokes-Shirt an.«
»Das müsste eigentlich gewaschen werden. Pfui Teufel.«
Der Junge drehte sich um und sah Kuhala an. »Na klar wusste ich, dass es rauskommt. Aber wer würde mir schon glauben?«
»Was glauben?«
»Dass ich nichts mit dem Mord zu tun habe.«
Kuhala räumte einige Sachen von der Couch und bat um ein Glas Wasser. Dann seufzte er und sagte zu dem jungen Mann, dieser sei ihm nun die beste Erklärung seines Lebens schuldig: Er müsse schlüssig darlegen, warum er mit dem gestohlenen Wagen eines ermordeten Polizisten durch das südliche Finnland gefahren sei und das Auto schließlich am Silja-Line-Terminal abgestellt habe. »Dort wurde es gefunden. Du musst dich jetzt selbst übertreffen, wenn du aus der Sache rauskommen willst.«
Er nahm das Glas Wasser entgegen.
»Eine Frau hat den Schlüssel zu unserem Häuschen an der Campingplatzeinfahrt gebracht. Ich hatte alleine Dienst, niemand hat sie gesehen. Der Schlüssel hatte keinen Anhänger. Es war bloß ein Autoschlüssel.«
»Was für eine Frau?«
»Sie kam zu Fuß von der Landspitze her, also von der Alvajärviseite, und sagte, sie hätte den Schlüssel neben dem Weg gefunden. Ich hab gesehen, dass es ein Passat-Schlüssel war, weil mein Vater so ein Auto hat. Sogar die gleiche Farbe. Die Frau dachte, es wäre ein Wohnmobilschlüssel, jedenfalls hat sie das gesagt.«
»Warum gab sie dir den Schlüssel?«
»Sie hatte es eilig und dachte oder bat sogar darum, dass ich ihn ans Fundbüro weitergebe. Sie hat auch gefragt, ob ihn einer unserer Gäste verloren hat. Am Abend, nach der Arbeit, probierte ich einfach mal aus, ob er an den Passat auf unserem Parkplatz passt. Und er passte. Ich hab mich verführen lassen. Ein Auto, das ich kannte, und vor mir ein freier Tag.«
»Du hast das Auto am Abend mitgenommen, bist aber erst am nächsten Tag damit gesehen worden?«
»Ich hab irgendwo in der Pampa auf der Rückbank geschlafen. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, ich bin einfach los, obwohl ich zugeben muss, dass ich auch angefressen war, wegen eines Streits mit dem Chef. Es ging um den Dienstplan. Er hatte mich sowieso schon den ganzen Sommer auf dem Kieker, obwohl ich meine Arbeit gemacht hab wie alle anderen auch.«
Kuhala schaute Pekka an. Der junge Mann saß
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