Tote Finnen tanzen keinen Tango: Kriminalroman (German Edition)
worden ist. Komm jetzt her, Jeri!«
Der Hund gehorchte. Kuhala rief die Polizei an und versprach, bis zum Fahrradweg entgegenzukommen. Er spuckte aus, er keuchte und hätte sich fast verirrt. Über sein Gesicht liefen Schmutzstreifen, sein Hemd war am Saum aufgerissen. Die erste Streife war in Idealzeit vor Ort, in weniger als sechs Minuten. Einer der beiden jungen Beamten näherte sich Kuhala vorsichtig, der andere sicherte.
»Hände auf den Kopf! Umdrehen! Ist der Hund gefährlich?«
Das verhieß nichts Gutes, das war keine Idealbegegnung, aber als Nevakivi in der Nacht Kuhala in seinem Büro Platz nehmen ließ und einen langen, von Seufzen begleiteten Blick auf ihn warf, konnten die guten Verheißungen endgültig vergessen werden.
23
19. Juni Der Nachruf in der Zeitung wusste, dass Antikainen zu den fähigsten Ermittlern der Stadt gehört hatte, nicht nur aufgrund seiner persönlichen Eigenschaften, sondern auch, weil er seine besten Jahre in Jyväskylä verbracht und den Charakter der Stadt durch und durch kennengelernt hatte.
Seine volkstümliche, stattliche Erscheinung habe Vertrauen geweckt, gesetzestreue Bürger wie kriminelle Elemente hätten ihn gleichermaßen leicht zugänglich gefunden und seine Direktheit und Gerechtigkeit geschätzt.
Und wie beispielhaft habe Antikainen doch die wenigen Krisen, die im Laufe eines Lebens jeden einmal ereilten, überstanden, um daran als Mensch zu wachsen!
Kuhala biss ein Stück von seinem Schnittlauchbrot ab. Ein Handtuch hing ihm über die Schulter, der ekelrealistische Stapel geöffneter Rechnungen auf dem Tisch flatterte im Takt seiner Stressatmung. Wie er so dasaß, mit seinen blutunterlaufenen Augen, angeschlagen und leicht erschrocken, erinnerte er an einen Kosmonauten, der mit nur einem Bremsfallschirm in der Steppe aufgeprallt war.
»Wir haben einen tollen Kerl verloren«, meinte er unwirsch zu Jeri, der sein Futter vertilgte und die Ohren bewegte, um zu signalisieren, dass er den Sarkasmus verstanden hatte.
Das Foto von Antikainen war zwei Jahre zuvor aufgenommen worden. Der Kriminalhauptmeister hatte dafür eine ernste Dienstmiene aufgesetzt, es jedoch nicht geschafft, den Anflug von Selbstgefälligkeit abzuschütteln, der nun einmal Teil seiner Persönlichkeitsstruktur war und auch einem mittelmäßigen Menschenkenner auffallen musste. Das gleiche Bild hatte den Artikel in der Gratiszeitung geziert, in dem Antikainen versprochen hatte, »König Alkohol« endgültig hinter sich zu lassen.
Nun war ihm das also gelungen.
Kuhala fiel es schwer, mit dem Nachruf einer Meinung zu sein, aber er dachte auch nicht über eine Gegendarstellung nach. Der Verfasser hatte seit Antikainens Verschwinden Zeit zum Schreiben gehabt, darum konnte der Text so schnell veröffentlicht werden. Der Mord an Antikainen war eine Nachricht von nationaler Bedeutung und hatte es sogar in die Boulevardblätter geschafft. Die gruben nicht nur die Tiefpunkte seiner Laufbahn aus, sondern zauberten auch vorsichtige Theorien über die Gründe der Tat aus dem Hut.
Keines der Motive, die Kuhala dabei vor Augen kamen, griff das Thema Unterschlagungen in der Asservatenkammer des Polizeipräsidiums auf, über das Ratsku gesprochen hatte.
Kuhala gab den Brei auf den Teller und schüttete einen Satz Blaubeeren darüber, die er in der Mikrowelle aufgetaut hatte. Die Einzelheiten der Nacht, die er mit Kommissar Nevakivi plaudernd verbracht hatte, hatte er im hintersten Fach seines Kopfes in so stabile Fesseln gelegt, dass sie dort nicht so schnell zu strampeln anfangen würden.
Nach dem Essen traktierte er mit allem, was sein Körper hergab, den Sandsack. Es war verflucht klar, dass es mit der goldenen Phase seiner Karriere vorbei sein würde, wenn er jetzt keinen Urlaub nahm. Seine Muskeln waren von dem Bombenattentat noch empfindlich und erholten sich nur langsam, die Handschuhe setzten sich eher durch Willenskraft statt dank orthodoxen Trainings in Bewegung. Von Beinarbeit konnte kaum die Rede sein, und nach ungefähr fünf Minuten Ackerns hing er am Sack, als hätte er elf Runden hinter sich.
Es ging auf Mittag zu. Jeri stand erwartungsvoll im Flur. Während des nächtlichen Verhörs hatte er im Hof des Präsidiums in einem mobilen Polizeikäfig ausharren müssen. Falls in seinem Verhalten auch nur die geringsten Hinweise auf Angstsymptome zu erkennen wären, würde Kuhala bei der Tierschutzbehörde Anzeige erstatten. »Du darfst gleich pinkeln gehen, ich dusche nur schnell und notiere
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