Tote Finnen tanzen keinen Tango: Kriminalroman (German Edition)
gelungen war, seine Zwangsvorstellung vom Weltuntergang in das Gespräch einzuflechten, aber warum hatte er nicht zugegeben, dass er unter der Brücke gewesen war?
Das Unwetter vom frühen Nachmittag hatte seine Kraft an die Innenstadtviertel vergeudet, für die Umgebung der Saarijärventie war nur eine erfrischende Dosis Regentropfen abgefallen, und auch die waren bereits getrocknet. Zwischen energisch voraneilende Fahrradfahrer, Jogger und Rollerskater passte auch der eine oder andere, der in der Sonne eingeschlafen war, sowie ein auf den Arsch gefallener fluchender Quartalssäufer.
Kuhala überquerte mit dem Hund die Straße, im Beton der Unterführung war das Baujahr eingelassen. Es roch nach Urin und verschüttetem Bier, jemand hatte die Glasscherben zur Seite getreten, die rassistischen Schmähungen der Graffiti überlagerten sich gegenseitig. Die schwüle Luft bremste Jeri und brachte ihn zum Hecheln, Kuhala spürte hin und wieder den Knall von Savipelto in den Gelenken. Sie bogen links ab.
Es war niemand zu sehen, im Schilf einer Ausbuchtung des Alvajärvi quakte eine Ente, und es schien, als wäre das Leben jenseits der Fernstraße 4 bereits in die Erwartung einer heißen Nacht versunken. Kuhala fand den Weg leicht, das Licht von hinten vergoldete das Laubwerk und hüllte die Kiefernstämme in eine unwirkliche, leicht rötliche Glut, die nur kurz anhielt, den Menschen aber zum Träumen verleitete.
Kuhala fing nicht an zu träumen, denn sein Bedarf an Träumerei war nach dem Telefongespräch mit Annukka erstaunlicherweise befriedigt. Bis sie sich sahen, waren es nur noch wenige Tage, und er hatte keine Ahnung, wie groß der Ring sein musste, den er Annukka kaufen würde. Fragen konnte er sie nicht. Außerdem wusste er noch immer nicht, wo sie hinfahren würden.
Er legte ein paar schnelle Schritte ein, um eine Pferdebremse abzuschütteln, und musste den Ästen ausweichen, die bis auf den Weg ragten. Dahinter waren ehemalige Feuerstellen zu erkennen.
Jeri trabte vorneweg, und bald hörte man seine plitschenden Schritte am Ufer. Der Weg führte auf den See zu, das Wasser schimmerte durch die Vegetation hindurch, und man sah einzelne Häuser am anderen Ufer. Kuhala verließ den Weg, schlug sich gebückt zum Ufer durch, wo sich der Hund schüttelte.
»Im Stadtbereich gehören Hunde angeleint!« Die Stimme klang eine Spur außer Atem und streitlustig. »Außerdem sind die städtischen Seen nicht als Badeplätze für Tiere gedacht.«
Der nächste Beschwerdesatz ging im Solo des Trompeters auf dem Harju-Turm unter, weshalb Kuhala lediglich die letzten Worte verstand. Sie verhießen ebenfalls nichts Gutes, und allmählich ging ihm der unfreundliche Ton auf die Nerven.
Fünfzig Meter vor ihm tauchte die Frau am Ufer auf und sammelte Dampf für eine neue Beschwerde, deren Thema sie aus ihrem mit Verboten, Paragrafen und städtischen Ordnungsregeln überfrachteten Schädel bezog. Von den Kennzeichen her entsprach sie der gegebenen Beschreibung bis hin zum zarten Rot ihrer Sporthose. Man hätte meinen sollen, das durch die Leibesübung ausgeschüttete Endorphin müsste ihre böse Zunge bändigen, aber nein. »Frei laufende Hunde können eingefangen und im Tierheim eingesperrt werden.«
»Er war schon im Käfig, ich habe ihn dort rausgeholt. Und ich glaube nicht, dass er noch einmal dort landen wird«, erwiderte Kuhala. »Wie wäre es, wenn wir uns darauf verständigen, dass ich mich um den Hund kümmere. Er ist brav und klug und braucht an solchen heißen Tagen ein bisschen Erfrischung. Falls Sie auch ein bisschen planschen mögen, gnädige Frau, ziehen wir uns zurück.«
»Kuhala?«
»Der bin ich. Guten Abend. Woher kennen Sie mich?«
»Ihr Gesicht ist aus der Zeitung bekannt. Wo kommen Sie denn so plötzlich her?«, fragte die Frau nun schon etwas milder. »Ich hab Sie angerufen.«
»Moment, ich komme zu Ihnen. Wenn Sie weiter so schreien, hört rund um den See jeder, was Sie mir zu sagen haben.«
Die Frau stellte sich vor und wischte sich den Schweiß vom Gesicht. Sie war die gleiche Altersklasse wie die Männer aus ihrer Reihenhausgemeinschaft und so klein, dass sie Kuhala kaum bis zur Brust reichte. In den braunen Augen ihres vogelartigen Gesichts funkelten Vitalität und die ständige Bereitschaft zu einem kleinen Zank, sobald sich die Gelegenheit dazu bot. Die Duftmischung aus Schweiß und Parfum machte die Insektenpopulation, die um ihren Kopf herumschwirrte, verrückt, aber sie ließ sich davon
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