Tote Finnen tanzen keinen Tango: Kriminalroman (German Edition)
entschuldige.«
»Ich würde dir auch gar nichts davon erzählen, auch wenn du es wolltest.«
Sie schwiegen. Kuhala ging schwimmen und tauchte. Er wusste, dass er irgendwann in naher Zukunft, in einem günstigen Augenblick, die Antwort auf die Frage finden würde, was ihn bei den Fällen Antikainen und Helena Jokela störte. Er hatte irgendetwas gesehen oder gehört, was sich ihm noch nicht erschlossen hatte. Die Hitze und die maßlosen Regenfälle dazwischen hinderten am Denken, es gab zu viele Störfaktoren.
Als er wieder auftauchte, stand Annukka so atemberaubend schön auf dem Steg, als begehrenswerter, blutvoller Störfaktor, dass Kuhala fast ertrunken wäre. Er starrte die Frau so begeistert an wie ein perplexer Kuckuck in der Mauser.
»Traust du dich zu springen?«
»Schon.«
»Ist alles in Ordnung?«
»Schon.«
»Schonschonschon …«
Annukka tauchte, glitt an Kuhala heran und schlang ihm die Beine um die Hüften. »Willst du eine meiner Phantasien hören … ummmhhh…«
»Leise. Das hören doch alle.«
»Wer alle?«
Kuhala packte Annukka an den Pobacken und drang so tief in sie ein, wie es ging. Er leckte ihr die Wassertropfen von der Haut, berührte mit der Zungenspitze die Wimpern und war nahe daran, vor Lust den Verstand zu verlieren. Was für ein herrliches Gefühl es war, den Verstand zu verlieren!
»Otto, dein Gesicht ist ganz blau«, keuchte Annukka.
»Das ist die Spiegelung vom Wasser, und mit dir ist das kein Wunder … ooohhh…«
Jeri saß auf dem Steg, ein Ohr erhoben, und schaute auf das Liebespaar, bereit, notfalls als Lebensretter einzugreifen.
Kurz darauf lag Annukka auf dem Steg in der Sonne, und Kuhala durchwühlte mit nacktem Hintern im Umkleideraum der Sauna seine Sachen. Sein Gesicht war nicht blau und nicht vor Erregung verzerrt, sondern besorgt.
Zum x-ten Mal ging er seine Hosentaschen durch und fingerte in der Brusttasche des Hemdes, ohne mehr zutage zu fördern als Flusen. »So eine Sch…«
»Was machst du da für ein Spektakel?«
»Schon gut.«
»Hast du etwas verloren?«
Erst am Abend fand sich das Päckchen unversehrt im Holzkorb. Auch die Schleife, die die Verkäuferin gebunden hatte, sah unbeschädigt aus, und Kuhala begriff nicht, was passiert war, bis er Jeri kleinlaut ankriechen sah.
»Du wolltest den alten Trick probieren«, sagte Kuhala erstaunt zu dem Hund, wobei er das Lachen unterdrücken musste. »Hast du geglaubt, das Päckchen fliegt morgen unbemerkt ins Feuer? Diamanten halten ewig, mein Lieber. Sogar ganz winzige. Wusstest du das nicht?«
Annukka saß auf der Terrasse und trank Wein. Kuhala hatte eine Maräne gegrillt, dazu hatten sie geröstetes Roggenbrot und Salat gegessen. Der Saunaofen war wieder an, es gab keinen angenehmeren Geruch als den von Rauch. Während der Mahlzeit hatte Kuhala seiner Liebsten über den Tisch hinweg derartige Hundeblicke zugeworfen, dass sie laut lachen musste – und fast ebenso brennend zurückschaute.
Und nun senkte Kuhala die Stimme und gestand Annukka, dass jedes Mal, wenn er an sie denke und sie ansehe oder gar anfasse, in seinem Inneren eine Saite erklinge, von der er geglaubt habe, sie sei vor fast dreißig Jahren abgestorben. Er hob sein Weißweinglas und pries seine Frau und sein Leben mit so schönen Worten, dass er sich später selbst wunderte, in welcher Abteilung seiner Seele er eine solche Schmalzdose gelagert hatte.
Er gab ihr das Päckchen. Plötzlich geriet er ins Stottern. »Das ist für dich. Ich weiß nicht, ob er dir passt … am Finger und auch sonst.«
So gingen die Tage der Liebenden dahin, der Moment des Abschieds kam viel zu früh. Kuhala wollte Annukka nicht aus seinen Armen lassen und war nahe daran, ihrem Auto sofort zu folgen, beherrschte sich dann aber doch und räumte zuerst auf. Immerhin hatten sie schon das nächste Treffen vereinbart. Er hackte Holz und putzte, leerte die Asche in den Öfen und reimte etwas für das Gästebuch zusammen: »Meine Lippen schlürften des Sommers süßen Birkensaft, dann schwamm ich mit der Liebsten – fabelhaft …«
Kuhala schloss gerade die Tür des Häuschens ab, als sein Handy klingelte.
O Annukka, stieß er unwillkürlich aus.
Der Anrufer hatte jedoch eine männliche Stimme. Die Stimme von Kai Vikman. Trotzdem vereinbarte Kuhala auch mit ihm ein Treffen.
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23. Juni Der Stadtteil Keltinmäki schlummerte am Rand von Jyväskylä, umschlossen von dichtem Baumbestand. Es handelte sich um einen der reizlosesten Versuche der modernen
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