Tote Finnen tanzen keinen Tango: Kriminalroman (German Edition)
Jack-Russell-Terrier zu, der im Bug eines Mahagonibootes Posten bezogen hatte. Der Glanz des Sonnenhofs verhieß gelungenen Johanniszauber, das Grölen, das von Ceausescu Beach herüberschallte, viel Arbeit für die Polizei.
»Ist alles okay, Papa?«
»Ja, natürlich«, meinte Kuhala und steckte verstohlen den Flachmann ein.
»Gehen wir zu schnell?«
Die Frage und der anschließende leicht besorgte Blick gaben Kuhala das Gefühl, uralt zu sein. Er grinste und machte ein paar tänzelnde Schritte im Stil von Mohammed Ali, aber die Wirkung war nicht die erhoffte, denn nun schaute auch Sari besorgt. (Der Alte ist doch nicht besoffen? Der hat doch gar nichts getrunken.)
Sari hatte braune Augen, eine schwarz gefärbte Frisurkonstruktion und ein strahlendes Lächeln, dessen Kraftfeld Tatu mit Sicherheit nicht mehr entkommen würde, wie Kuhala bei sich vermutete. Sie studierte in Helsinki Kunst, Finnisch und Politische Geschichte, und sie sprudelte vor natürlicher guter Laune. Oder waren das die letzten Reste kindlicher Unschuld? Auch vor Kuhala fremdelte sie kein bisschen.
Sari und Kuhala hatten schon nach einer halben Stunde beim Picknick im Hof vom Erdbeerkuchen der fröhlichen Witwe versüßte Ansichten darüber gewechselt, welche Rasse bei Jeri dominierte, waren mühelos zu den Grundproblemen des Amateurgitarristen übergegangen und hatten dann über Saris Heimatstadt Lappeenranta geredet, die Kuhala einigermaßen kannte. Tatu hatte etwas abseits gesessen und gehorsam die Aufforderungen der Witwe befolgt, nachzufassen. Dabei hatte er den benebelten Blick eines bis in die Haarspitzen Verliebten gehabt, der allerdings einige Male an Wirkung verlor und ernst wurde, als er auf seinen Vater fiel, der einiges mitgemacht hatte.
Es war klar, dass die fröhliche Witwe nach und nach das Rederecht an sich riss und nicht wieder hergab. Schnatternd schilderte sie ihre schon mehrfach gehörte Lebensgeschichte, ging die Nachbarn durch und hielt auch mit ihren Erfolgen beim Mittwochstanz im Restaurant Jyväshovi nicht hinterm Berg. Um letztgenannten Sachverhalt zu illustrieren, zog sie den Rocksaum ein wenig hoch und gönnte Kuhala ihren besten Männerverschlingerinnenblick, dem es unter den künstlichen Wimpern nicht an Fülle fehlte.
Nach der Brücke bogen sie nach links zum Ainolaufer ab, wo das Johannisfeuer entzündet werden sollte. Die Beliebtheit der Mittsommerfeiern in der Stadt schien zugenommen zu haben, auf den Wegen rund um den Jyväsjärvisee drängten sich die Bürger geradezu. Kuhala gab Jeri etwas Wurst und ließ ihn im Wasser planschen, eine Weinflasche, die sich von ihrem Besitzer losgerissen hatte, trieb wie ein glühendes Stück Eisen auf das Sonnenglitzern zu.
»Du hast deine Praxis also an einen anderen See verlegt«, sagte Kuhala zu dem Sandbildhauer, der unter den Blicken einiger Zuschauer die Brust eines weiblichen Torsos aus einem Lehm-Sand-Gemisch formte.
Der junge Mann erkannte Kuhala nicht auf Anhieb, lächelte aber schließlich. »Am Tuomiojärvi ist es zu unruhig. Die anständigen Leute sind hier unterwegs.«
»Und der Bootsverleih?«
»Das macht Karhunen, ich habe frei.«
»Formst aber trotzdem fleißig Sand. Oder sagt man Sand schnitzen? Oder sandbildhauern?«
»Da bin ich ziemlich flexibel. Alles geht. Sand ist jedoch aus ähnlichem Material wie der Mensch. Aus dem Staub der Erde. Heißt es so nicht in der Schöpfungsgeschichte? Sand ist instabil und verweht im Wind, so wie der Mensch sich in Luft auflöst.«
»Erde bist du, und zur Erde kehrst du zurück«, sagte Kuhala und bot dem Mann einen Schluck Kognak an, um ihm die Fesseln der Kreativität etwas zu lockern.
»Ja, danke. So wie der Wind über das Gras hinweggeht und nicht mehr ist.«
»Das sind aber ernste Töne an der Schwelle der Sommerfeier. Wenn ich einmal reich bin, beauftrage ich dich, eine Büste von mir zu machen. Aber jetzt muss ich zu meinem Sohn und seiner Braut. Schönen Mittsommer!«
»Gleichfalls.«
Der junge Mann hob die Hand und lächelte. Dann richtete er den Blick auf den weiblichen Körper und hobelte die Hüfte schlanker, wie ein Bildhauer, der nach Vollkommenheit strebt.
Auf der Bühne des Freilichttheaters Ainola wurden das Akkordeonspiel und das Stampfen der Tanzschritte von echten Volksbühnendialogen abgelöst, die Leute am Geländer der großen Brücke winkten der Armada, die zum Päijännesee schipperte. Kuhala erinnerte sich, im Zusammenhang mit einem seiner ersten Fälle von dieser Brücke
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