Tote Fische beißen nicht: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (German Edition)
in die Restaurantküche.
»Gibst du mir eine Tasse Suppe?«, fragte sie Pascal, der geschäftig zwischen Herd und Arbeitstisch hin und her eilte. Mit ungeduldigen Handbewegungen forderte er zwei Küchenhilfen auf, beim Schneiden des Gemüses an Tempo zuzulegen.
»Es gibt gleich Abendessen. Verdirb dir nicht den Appetit, ich habe etwas ganz Besonderes.« Er unterbrach sich und öffnete fluchend den Backofen, dem eine heiße Qualmwolke entwich.
»Ich kann leider nicht bleiben. Ich bin auf dem Weg zum Zeltplatz«, sagte Pippa bedauernd.
Sichtlich widerstrebend schöpfte er Knoblauchsuppe in eine Schale und brach ein Stück von einer Baguettestange ab. Er knallte beides auf die Arbeitsplatte und sah Pippa mit verschränkten Armen beim Essen zu.
»Ich bekomme dich nie zu Gesicht«, brummte er schließlich. »Die Kiemenkerle nehmen dich ja sehr in Anspruch.«
»Oder ich sie – kommt ganz auf den Blickwinkel an«, gab Pippa zurück. Sie wischte die letzten Tropfen der Suppe mit dem Brot aus der Schale. »Köstlich.«
»Komm doch morgen früh mit mir auf meine Einkaufstour. Dann können wir uns endlich mal unterhalten, und du siehst etwas von der Gegend.«
»Einverstanden. Wohin geht es?«
Pascals Laune besserte sich schlagartig. »Unter anderem zur berühmten Ferme von Las Cases.« Er küsste genießerisch seine Fingerspitzen. »Die machen die beste Melsat.«
Ehe Pippa nachfragen konnte, wann sie zu der Tour aufbrechen würden, kam Lisette herein. Sie trug einen riesigen Weidenkorb, der bis zum Rand mit Artischocken gefüllt war.
»Das ist die Vorspeise, die du verpasst, Pippa«, rief Pascal und wies auf den Korb. »In Weißwein-Kräutersud gegarte Artischocken!«
Pippas fester Vorsatz, auf das Abendessen im Vent Fou zu verzichten, geriet ins Wanken. Gegen frische Artischocken war sie normalerweise machtlos.
»Hast du schon mit den Erkundigungen zu unserer Vergangenheit begonnen?«, fragte Lisette und lenkte Pippa damit ab.
»Wir sind mittendrin«, antwortete sie, »ich bin gerade auf dem Weg zu meinen Helfern.«
»Helfer?«
Lisette und Pascal wechselten einen schnellen Blick, und Pippa wurde klar: Den beiden behagte keineswegs, dass sie die Nachforschungen nicht allein durchführte.
Pascal nickte kaum merklich, und Lisette hakte sich bei Pippa ein.
»Wenn du schon gehen musst, begleite ich dich ein Stück«, sagte Lisette und lächelte. »Ein paar Schritte an der frischen Luft werden mir guttun.«
Sie verließen das Restaurantgelände und schlenderten auf dem Damm entlang.
»Ich dachte, Sie würden allein nach der Antwort auf unsere Fragen suchen«, sagte Lisette schließlich. »Mit Pascal. Nur Sie und er.« Sie zeigte zurück zum Vent Fou. »Er soll alles ohne Hypotheken übernehmen, ohne finanzielle und ohne persönliche. Ich möchte, dass er das weiß.«
»Wann wollen Sie aufhören zu arbeiten? Steht das schon fest?«, fragte Pippa.
»Wir werden ihm in der Hochsaison noch helfen – aber ab Winter würden wir gerne auf Reisen gehen. Ferdinands Traum ist es, eine Kreuzfahrt zu machen. Und ich möchte wieder einmal länger ins Elsass. Alte Freunde treffen. Familie habe ich dort keine mehr.«
»Ich dachte, Ihre Familie ist hier«, sagte Pippa vorsichtig.
»Cateline …« Lisette sprach den Namen beinahe sehnsüchtig aus und seufzte. Dann fuhr sie mit fester Stimme fort: »Seltsam, dieser Ort hat nur knapp zweihundert Einwohner, und meine Schwester und ich schaffen es seit Jahrzehnten, uns konsequent und erfolgreich aus dem Weg zu gehen.«
»Klingt so, als wären Sie beide Großmeister im Vermeiden von Aussprachen.«
Lisette lachte bitter. »Aussprachen? Wir wissen doch nicht einmal genau, worüber wir uns aussprechen müssen. Deshalb setze ich so große Hoffnung in Sie, Pippa.«
»Wer verhindert die Versöhnung: Ferdinand oder Thierry?«
Wieder seufzte Lisette. »Einer so stur wie der andere. Sie sind wie Stier und Torero – nur dass die Rollen ständig wechseln. Ich bete seit Jahren, dass die beiden nicht irgendwann die passende Arena finden und ein weiteres Unglück geschieht.«
Pippa fühlte sich an den Briefwechsel der Professoren über Mut und Feigheit erinnert, den sie soeben bearbeitet hatte: Solange der Torero in seinem Territorium bleibt, ist er sicher, aber betritt er das Gebiet des Stiers, besteht Lebensgefahr .
»Ich sehe keine Möglichkeit, wie die beiden je wieder zusammentreffen könnten, ohne sich an die Gurgel zu gehen.« Lisette schüttelte den Kopf.
Pippa legte ihr
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