Tote Fische beißen nicht: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (German Edition)
unbedingt haben wollte.«
Wolfgang Schmidt kniff die Augen zusammen und sah zu Tatjana hinüber. »Schade nur, dass er die Puppe ins Regal gestellt und dort vergessen hat. Er hat nie begriffen, dass kostbares Porzellan gepflegt werden muss.«
Pippa sah ihn prüfend an. »Du magst sie.«
Er zuckte mit den Achseln. »Sie ist nicht verkehrt. Sie lebt nur in ihrer sehr eigenen Welt.«
»In einer äußerst exklusiven, wie es scheint.«
Pascal hatte sie entdeckt und winkte.
»Pippa, komm doch rüber, schwimmen«, rief Tatjana ihr zu. »Das Wasser ist herrlich!«
»Ein anderes Mal, ich muss arbeiten«, rief Pippa zurück.
»Freundinnen fürs Leben?«, fragte Schmidt spöttisch. »Ausgerechnet Tatti und du?«
»Komplizinnen«, erwiderte Pippa geheimnisvoll und freute sich über sein erstauntes Gesicht.
In der Wohnung war es warm und stickig. Pippa hatte zwar daran gedacht, die Fenster geschlossen zu lassen, aber die Vorhänge nicht zugezogen. In der Hoffnung auf ein erfrischendes Lüftchen riss sie alle Fenster auf.
»Hast du etwas Kühles zu trinken?«, fragte Schmidt und ließ sich auf einen Stuhl am Esstisch fallen.
Pippa holte Mineralwasser aus dem Kühlschrank und füllte zwei Gläser, bevor sie sich zu ihm setzte. Durstig trank sie in großen Schlucken, dann deutete sie auf die Plastiktütchen, die vor Schmidt lagen.
»Was ist da drin?«
Schmidt grinste zufrieden. »Spuren aus dem Geisterhaus. Blut von der Treppe, Holzsplitter und so weiter.«
»Ehrlich? Aber das Blut ist fünfundzwanzig Jahre alt. Kann man mit so alten Proben noch etwas anfangen?«
Schmidt lachte. »Wenn man sogar anhand der Blutflecken an Kaspar Hausers Kleidung beweisen konnte, dass er nicht aus fürstlichem Hause stammte, dürften läppische fünfundzwanzig Jahre kein Problem darstellen. Solange humanes Gewebe – gleich welcher Art – sichergestellt werden kann, spielt das Alter keine Rolle. Ich ziehe diesen Fall einfach durch wie jeden anderen auch. Improvisation ist nicht meine Stärke.«
»Das sah gestern Morgen aber anders aus.«
»Angst verleiht Flügel«, sagte Schmidt verlegen und wechselte eilig das Thema. »Hast du hier ein Telefon?«
Pippa zeigte ihm den Apparat, und er führte einige Gespräche auf Französisch. Sie hörte trotzdem heraus, dass er zuletzt mit einem internationalen Kurierdienst sprach, und wurde aufmerksam, als er eine Sendung nach Wiesbaden ankündigte.
»Du willst die Proben zum BKA schicken?«, fragte sie, als er aufgelegt hatte. »Ist es nicht verboten, eure Experten für Privatsachen einzuspannen?«
»Ich schicke alles an meinen Freund Stephen und bitte ihn, sie sich anzusehen«, antwortete Schmidt. »Ob, wann und wie intensiv er sie sich ansieht, liegt nicht in meiner Hand.« Er grinste. »Aber eines weiß ich: Er hat die schärfsten Augen.«
Als der Kurier vor der Tür stand, musste Pippa tief in die Tasche greifen, um für die Sendung zu bezahlen.
Fassungslos sah sie Schmidt an, der seelenruhig in sein Baguette mit Käse biss. »Wieso habe ich jetzt so viel bezahlt? Und für was?«
»Dein Fall oder meiner?«, fragte Schmidt zurück, leerte sein Glas mit einem großen Schluck und verabschiedete sich.
Pippa vertiefte sich in ihre Übersetzungen und überarbeitete die bereits erledigten Texte. Dann fragte sie per E-Mail bei Professor Benedetto Libri an der Universität Venedig nach, ob er das schon übersetzte Material für die geplante Festschrift gerne vorab lesen würde.
Sie griff sich den nächsten Stapel Briefe. Auf dem Aktendeckel klebte ein Zettel mit dem Zitat: Man ist nicht feige, wenn man weiß, was dumm ist.
Je länger sie las, übersetzte und korrigierte, desto mehr fesselten sie Abenteuerlust, Großwildjagd und Stierkampf. Ihr Respekt vor der hingebungsvollen Forschungsarbeit ihrer Auftraggeber wuchs mit jedem Brief, den sie bearbeitete. Sie selbst hatte Hemingway immer als Großmaul und unverbesserlichen Macho abgetan. Da sie mit Leo ein Vollblutexemplar dieser Gattung an ihrer Seite gehabt hatte, schien Hemingway keine Bereicherung ihrer Welt. Damals hatte Pippa stattdessen immer häufiger zu Theodor Fontane und Jane Austen gegriffen, um sich bestätigen zu lassen, dass auch andere Formen des Lebens und Liebens existierten als die ihres untreuen Gatten.
Es war bereits Abend, als sie ihren Laptop zuklappte und sich streckte. Allmählich wurde es Zeit, ins Camp zu gehen und mit ihren Kundschaftern erste Informationen auszutauschen. Verführerischer Knoblauchduft lockte sie
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