Tote Fische beißen nicht: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (German Edition)
Kopf.
»Das ist ganz sicher nicht der Grund. Ich glaube, sie wusste sehr bald, wo Jean sich aufhielt. Wenn er wirklich verliebt in sie war, hat er sich nach seinem Verschwinden auch bei ihr gemeldet. Schon allein deshalb, um herauszufinden, wie es ihr geht. Aber Cateline hat sich entschieden, niemandem davon zu erzählen.« Sie verfiel in nachdenkliches Schweigen.
Plötzlich sagte sie: »Catelines Ehe mit Thierry ist wirklich glücklich. Niemand außer ihr könnte es mit diesem alten Brummbären aushalten. Ihre Kinder sind ihr Ein und Alles. Sie will keine Aufklärung, um das alles nicht zu zerstören, da bin ich sicher. Und Jeans Rückkehr würde es zerstören.«
»Sie gehen davon aus, Cateline weiß, dass er noch lebt?«
Lisette nickte. »Und mehr noch: Sie bezahlt ihn wahrscheinlich dafür, dass er nicht wiederkommt.«
»Wie bitte? Meinen Sie das ernst?«, rief Pippa verblüfft. »Aber warum dann die Gerüchte und die Geheimnistuerei? Das ist doch völlig unsinnig. Wie kann man so etwas über Jahre hinweg aushalten? Wer steht denn schon gerne freiwillig unter Mordverdacht?«
»Das will ich Ihnen sagen.« Lisette stieg langsam die Stufen der Treppe hinab und sagte mehr zu sich selbst: »Eine Frau, die nicht mit der zwanzig Jahre jüngeren Version ihres alternden Mannes konfrontiert werden will.«
Pippa blieb stumm auf der Treppe zurück, während Lisette aufrechten Ganges um die Hausecke verschwand. Durch das Gespräch mit Lisette waren ihre eigenen Probleme in den Hintergrund getreten, und sie freute sich auf ihre Verabredung mit Tisserand.
Sie sprang auf, nahm ihren Schuh aus der Tür und ging noch einmal in die Wohnung, um ihre Haare à la sechziger Jahre mit einem Tuch zu bändigen. Sie schlang es um den Kopf, kreuzte die Enden unter dem Kinn und verknotete sie im Nacken. Bei einem kritischen Blick in den Spiegel dachte sie: Wie Grace Kelly – fast.
Dann verließ sie das Haus wieder durch die Notausgangtür, rannte die Wendeltreppe hinunter und machte sich auf den Weg.
Der Pavillon lag verlassen in der Mittagssonne. Pippa vermutete, dass Tisserand noch damit beschäftigt war, die anderen Blinkerbabys zusammenzutrommeln. Sie stellte sich an die Brüstung und blickte über das Wasser zum Lager der Angler. Selbst aus der Entfernung sah sie, dass dort große Geschäftigkeit herrschte.
Ist es wirklich erst wenige Tage her, dass ich in Chantilly angekommen bin?, fragte sie sich. Pia hat recht, dieser Ort wirbt nicht offen für sich, aber er lässt jeden bei sich ankommen. Ein Ort, an den man immer wieder zurückkehren – oder für immer bleiben möchte. Sie war so in die Betrachtung der Landschaft versunken, dass sie dem Geräusch hinter sich keine Beachtung schenkte. Erst als jemand hüstelte, drehte sie sich um und blickte in Pascals ernstes, aber wild entschlossenes Gesicht.
Sieh an, dachte Pippa, Lisette hat dich geschickt.
»Lisette und ich meinen … ich glaube, ich muss endlich …« Pascal brach ab und rang um Worte. »Ich mag dich sehr gern, Pippa. Und zwar schon länger, als du denkst.«
Wie lange soll das sein? Fünf Tage?, dachte Pippa und fragte: »Wie meinst du das?«
Er wand sich verlegen. »Pia hat immer so viel von dir erzählt, und dann bin ich extra nach Berlin, und dann habe ich …«
Sofort fiel sie ihm ins Wort. »Bitte? Pia und du? Ihr habt mich für dich hergelockt?«
Er nickte. »Und Lisette und Ferdinand.«
»Sind das schon alle?«, fragte sie trocken. »Zu einer ordentlichen Verschwörung gehören doch ein paar mehr Leute.«
Sie war kaum überrascht, als er wieder nickte.
»Deine Freundin Karin, deine Oma Hetty …«
Pippa ließ sich auf die Bank fallen. »Das ganze Theater in Berlin um meinen Geburtstag – eine einzige Inszenierung. Wäre es nicht viel einfacher gewesen, man hätte uns einfach einander vorgestellt?«
»Alle waren der Meinung, dass das Leo auf den Plan rufen würde. Weil er dich trotz allem keinem anderen Mann gönnt.«
Er setzte sich zu ihr auf die Bank und nahm ihre Hand. »Bitte, Pippa, geh nicht zurück nach Italien«, sagte er beschwörend, »bleib in Chantilly. So lange du willst. Ich möchte dich wirklich näher kennenlernen, und ich hoffe, du mich auch.«
Obwohl sie überrumpelt war, versuchte Pippa, besonnen zu bleiben. Sein Gesicht wirkte offen und ehrlich, seine Augen waren liebevoll und sehnsüchtig. Und Lisette glaubt, Pascal hat kein Feuer?, dachte sie. Dann kennt sie aber diesen Blick nicht.
Pippa war so abgelenkt, dass sie
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