Tote Fische beißen nicht: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (German Edition)
ihr ein paar Besucher angekündigt – und dann haben die beiden sich unterhalten. Über Sie.« Er zeigte auf Pippa.
»Dass sie weiterhilft, wo die Polizei es nicht kann«, fuhr er aufgeregt fort, »und bei uns konnte sie ja nicht.«
Cateline packte ihren Sohn bei den Schultern. »Wovon redest du denn, um Himmels willen?«
Cedric schluckte, dann sagte er leise: »Der Mann heute – der tote Angler, meine ich –, der hat hier keine Familie, aber er hat all diese Männer um sich rum, die sich um ihn kümmern. Sogar, wo er jetzt tot ist. Jean, der hat Familie, aber keiner von uns kümmert sich um ihn. Der ist jetzt vielleicht ganz alleine tot, und das sollte nicht sein. Auch wenn man tot ist, sollte man jemand um sich haben. Uns.«
Cateline ließ Cedric los und trat betroffen einen Schritt zurück.
Als der Junge weitersprach, klang seine Stimme vorwurfsvoll. »Ihr habt uns immer wieder gesagt, wir sind Brüder, und Brüder bekämpfen sich nicht. Alle für einen, einer für alle, wie bei den Musketieren. Aber warum dann nicht für Jean?«
Cateline starrte ihren Sohn an, als sähe sie ihn zum ersten Mal. In ihrem Gesicht arbeitete es, und Pippa hielt den Atem an, während sie auf Catelines Reaktion wartete. Diese zog Cedric liebevoll an sich und flüsterte: »Du hast recht, mein Kleiner, vielen Dank, dass du mich daran erinnert hast. Niemand sollte allein sein. Jean gehört zur Familie. Ganz gleich, was er gemacht hat. Ganz gleich, ob lebendig oder tot. Ich werde alles mit Pippa regeln, versprochen – aber du gehst jetzt ins Bett, und zwar sofort.«
Der Junge entwand sich den Armen seiner Mutter und sah Pippa hoffnungsvoll an.
»Du kannst dich auf uns verlassen, Cedric«, sagte sie. »Wir tun, was wir können.«
Cedric strahlte und stürmte dann die Straße entlang nach Hause. Alle paar Schritte machte er einen kleinen Luftsprung.
»Auf den können Sie stolz sein«, sagte Pippa zu Cateline, die ihrem Sprössling nachdenklich hinterherblickte.
»Ich weiß. Bei mir selbst bin ich da nicht so sicher.«
Weil du mich vor weniger als vierzig Stunden gebeten hast, nicht mehr nach Jean zu suchen, dachte Pippa, und jetzt steckst du in einer Zwickmühle, weil du eine Kehrtwendung machen musst.
»Lassen Sie uns zum Pavillon gehen, Cateline. Dort können wir uns ungestört unterhalten.«
Cateline nickte. Wortlos gingen sie über die Picknickwiese, denn Pippa wollte Cateline noch ein wenig Zeit zum Nachdenken geben.
Der Wind hatte sich gelegt, und im Pavillon waren sie zusätzlich geschützt. Sie setzten sich eng nebeneinander auf eine Bank.
»Sieht so aus, als müsste ich Sie bitten, mit Ihren Nachforschungen fortzufahren«, sagte Cateline.
»Gern – wenn Sie sich dessen sicher sind«, erwiderte Pippa. »Erzählen Sie mir bitte ehrlich, was damals passiert ist.«
Cateline blickte auf ihre Knie. Eine Zeitlang rang sie mit sich, dann seufzte sie und begann zu sprechen: »Der Junge lebte seit unserer Hochzeit bei den Legrands – aber Thierry wollte seinen Sohn gerne wieder bei uns haben. Deshalb haben wir zu diesem Essen eingeladen. Wir wollten ihm sagen, dass wir ihm die Entscheidung überlassen, wo er wohnen möchte. Er sollte wissen, dass unsere Tür jederzeit für ihn offen steht – dass er genauso in die Familie gehört wie das Kind, das ich erwartete.«
»Und das war mit Ferdinand und Lisette abgesprochen?«, fragte Pippa vorsichtig.
Wieder seufzte Cateline. »Unglücklicherweise nicht, denn Thierry war der Meinung, er könne das allein entscheiden. Damit haben wir Lisette und Ferdinand natürlich überrumpelt, und es gab bösen Streit. Die beiden wollten gehen und fragten Jean, ob er mitkäme. Als der Junge sich ihnen anschließen wollte, flippte Thierry aus. Er warf Lisette und Ferdinand vor, sie würden den Jungen gegen ihn aufhetzen und ihm mutwillig entfremden.«
Warum hat Vinzenz das eigentlich nicht erwähnt, dachte Pippa. Oder hat er es nicht herausgefunden?
»Lisette und Ferdinand waren zu Recht wütend«, fuhr Cateline fort, »Thierry und ich haben alles falsch gemacht. Wir haben die beiden vor den Kopf gestoßen und den Jungen völlig überfordert. Wir wollten alles auf einmal. Der Junge sollte sich mit uns versöhnen und sich gleichzeitig über das neue Kind in der Familie freuen. Ich weiß nicht, wer wütender war über meine Schwangerschaft: Ferdinand oder der Junge.«
Cateline holte tief Luft. »Dummerweise hat Ferdinand dann gesagt, dass wir den Jungen doch gar nicht mehr
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