Tote Fische beißen nicht: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (German Edition)
dem freien rechten Arm rückwärts zum Ufer, die zappelnde Tatjana hinter sich herziehend.
»He!«, schrie Tatjana. »Was soll das?«
Cateline ließ ihr keine Chance, sich aus dem fachmännischen Rettungsgriff zu befreien. Der Brust-Schulter-Schleppgriff, schoss es Pippa durch den Kopf, als ihr Gehirn sich plötzlich entschloss, die Informationen freizugeben.
Cateline zerrte Tatjana ans Ufer und legte sie auf den Rücken in den Sand, wo sie bewegungslos liegen blieb.
»Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte Cateline außer Atem.
Pippa ließ sich neben Tatjana auf die Knie fallen. »Tatti, sag doch was! Geht es dir gut? Können wir dir helfen?«
Tatjana setzte sich auf und starrte die beiden Frauen sprachlos an.
»Kein Kummer ist so groß, dass Freunde ihn nicht lindern können«, sagte Cateline.
»Sag doch endlich was«, rief Pippa beschwörend. »Was können wir für dich tun?«
Tatjanas Mundwinkel zuckten. »Mich schwimmen lassen«, erwiderte sie, »oder wonach hat das für euch ausgesehen?«
»Ich dachte, du …« – »Es sah aus, als wollten Sie …«, setzten Pippa und Cateline gleichzeitig an.
»Beeindruckend, dieser Lac Chantilly. Hier ist die Lebensrettung sogar mitten in der Nacht im Einsatz«, unterbrach Tatjana sie trocken.
»Das kommt davon, wenn man vier Kinder hat«, sagte Cateline, »da nimmt man immer das Schlimmste an, um das Allerschlimmste zu verhindern!«
»Ich konnte nicht schlafen«, erklärte Tatjana, »und wollte ein paar Schritte laufen. Der See sah so verlockend aus. Ich liebe es, in eine ruhige Wasserfläche zu gleiten und allein meine Kreise zu ziehen.«
»Das Wasser sieht wirklich verlockend aus«, sagte Pippa.
Tatjana sprang auf und rief: »Na los, Mädels, traut euch. Runter mit den Klamotten. Das Wasser ist noch richtig warm!«
Pippa musste nicht überredet werden – und Cateline war ohnehin nass. Sie zogen sich aus und rannten zusammen ins Wasser.
Tatjana hatte recht – trotz der kühlen Nachtluft hatte der See noch die Wärme der vergangenen Tage gespeichert, und selbst an den tiefsten Stellen war die Temperatur angenehm. Nach kurzer Zeit schwammen sie aufeinander zu.
»Das ist ja wunderbar«, sagte Pippa wassertretend, »das hätte ich schon längst mal machen sollen.«
»Wenn das die Kiemenkerle wüssten – drei Meerjungfrauen, direkt vor ihrer Nase.« Tatjana kicherte, schluckte etwas Wasser und hustete lachend.
»Ich glaube, Fischleiber sind denen lieber«, prustete Pippa.
»Ich könnte mir noch andere Interessenten vorstellen«, sagte Cateline. »Sie sind doch mit allen beiden befreundet, nicht wahr?«
Tatjana wurde abweisend. »Wen meinen Sie?«
»Pascal und diesen Maler, Monsieur Tisserand«, erwiderte Cateline.
Tatjana entspannte sich sichtlich. »Befreundet würde ich nicht sagen«, sagte sie leichthin. »Gut bekannt.«
»Sie haben mich gestern nicht bemerkt, aber ich habe gesehen, wie Tisserand Sie gemalt hat – hinter dem Dorf, auf der Bank am Spazierweg nach Revel. Zwischen den großen Buchen. Ich war auf der Suche nach den Jungs, wie immer. Die Rabauken waren weg, ihre Fahrräder waren weg – das bedeutet wilde Schussfahrten ins Tal.«
»Ich habe mir den Ort selbst ausgesucht«, erklärte Tatjana. »Es ist so langweilig, porträtiert zu werden, da wollte ich wenigstens die Aussicht genießen. Es ist mein Lieblingsplatz in Chantilly.«
»Soll das Porträt für deinen Mann sein?«, fragte Pippa.
»Ich dachte eher, ein Verehrer malt Sie. Für mich sah es so aus, als würde Monsieur Tisserand Sie sehr bewundern«, sagte Cateline.
»Ha – von wegen!« Tatjana schlug mit der Hand aufs Wasser. »Bei Pascal läuft Pippa mir gerade den Rang ab, und für Alexandre bin ich nur ein zahlendes Modell.« Leiser fügte sie hinzu: »Außerdem wäre es mir viel lieber, man würde nicht nur meine Nähe suchen, um mich anzubeten oder zu bewundern, sondern, um mit mir Pferde zu stehlen.«
»Sie glauben an echte Freundschaft zwischen Männern und Frauen?«, rief Cateline. »Meine Damen, lassen Sie es sich gesagt sein: Echte Freundschaft und Chantilly – das geht nicht zusammen. Erst recht nicht zwischen Mann und Frau. Hier will jeder, wenn er sich um den anderen bemüht, immer nur irgendetwas bei oder durch ihn oder sie. Hier geschieht nichts aus reiner Sympathie.«
»Kommen Sie, es kann doch nicht alles Berechnung und Hinterlist sein«, gab Pippa zu bedenken.
»O doch«, murmelte Tatjana.
Urplötzlich schnellte sie mit dem Oberkörper aus
Weitere Kostenlose Bücher