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Tote gehen nicht

Tote gehen nicht

Titel: Tote gehen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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von   Unbekannt , wohinter er Rita vermutete. Sie wusste, dass er ihr untersagt hatte, ihn anzurufen. Aber er konnte sich sehr gut vorstellen, warum sie es getan hatte, warum sie das Verbot missachtet hatte.
    Einen Tag, nachdem er seine Urlaubszeit in den Urlaubsplan, der im Schwesternzimmer hing, eingetragen hatte, hatte er einen Gutschein in seinem Briefkasten gefunden. Er hatte in einem Preisausschreiben eine Kreuzfahrt im Mittelmeer gewonnen, die exakt im gleichen Zeitraum stattfand. Zufall? Wunder? Nein, er hatte sofort gewusst, dass Rita ihre Hände im Spiel hatte. Auch wenn sie nicht ihr Erkennungszeichen rechts unten in die Ecke gemalt hätte. Sie hielt diese Aktion wohl für besonders raffiniert, da er ihr jede andere Art der Kontaktaufnahme verboten hatte. Aber sie hatte nicht bedacht, dass Edgar noch nie an einem Preisausschreiben teilgenommen hatte. Dass sie die gleiche Reise zum gleichen Zeitpunkt ebenfalls gewonnen hatte, war Edgar sonnenklar. Einmal mit ihr zusammen an Bord, und er war ihr ausgeliefert. Unausweichlich verloren.

    Sich so zu verhalten, als habe er den Gutschein nicht erhalten, ergab keinen Sinn. Rita erwartete eine Reaktion, wenn sie sich in der Klinik trafen, und sie würde sie gegen alle Regeln einfordern. Da er für eine neue Auseinandersetzung mit ihr nicht mehr die Nerven hatte, ging er – wie er fand – den Königsweg und vermittelte ihr mit vagen Zeichen und Andeutungen den Eindruck, er freue sich darauf, mit ihr gemeinsam reisen zu können. Sie war glücklich, und er konnte sich in Ruhe auf den Eifelsteig konzentrieren.
    Je näher der Reisetermin aber rückte, desto öfter malte sich Edgar aus, wie praktisch es wäre, wenn jemand unter seinem Namen auf dem Schiff bereits eingecheckt hätte, wenn Rita an Bord kam und sie den Irrtum erst feststellte, wenn sie bereits auf hoher See war und auf dem Weg ans andere Ende der Welt. Und dieser Jemand sollte niemand anderer als sein Bruder Guido sein, der keine Fragen stellte, sondern alles stehen und liegen ließ, um sich eine solche Gelegenheit nicht entgehen zu lassen.
    Edgar seufzte. Rita war ein Kapitel seines Lebens, an das er jetzt nicht denken durfte und wollte. Das würde ihm alle Kraft und Motivation und Lust und Zuversicht nehmen. Und in solch einer Stimmung würde er den Eifelsteig nicht bezwingen können. Aber seine Wette ging vor. Zu viel stand auf dem Spiel. Rita war eine Nebensache. Bis zum 16. Mai hatte er auf jeden Fall Ruhe vor ihr, dachte er und löschte   Unbekannt .
    Und rief Lutz zurück. Lutz musste seine zweite Etappe, die offiziell die 13. Etappe des Eifelsteigs war, hinter sich haben, die Route von Bruch nach Himmerod. Laut Plan nur 20 Kilometer. Edgar rief die eingespeicherte Nummer auf. Lutz ließ es klingeln. Vielleicht schlief er schon. Edgar wollte gerade auf den roten Knopf drücken, als Lutz sich meldete.
    »Wo steckst du?«, fragte Edgar, ohne sich Zeit für eine Begrüßung zu nehmen.
    »Wo schon? Kloster Himmerod, natürlich, was denkst du? Ehre heißt Planerfüllung. Und du?«
    Edgar gähnte ausgiebig und stieß seine Schuhe von den Füßen. »In Einruhr natürlich, was denkst du?«
    »Gibst du auf?«, fragte Lutz lachend.
    »Auf keinen Fall«, Edgar fuhr hoch. »Wie kommst du denn darauf?«
    »Du hörst dich fertig an.«
    »Und du dich erst. Wie ist dein Bett?« Nicht mehr lange, und Edgar würde im gleichen Hotel nächtigen. Er hörte Lutz auf der Matratze hüpfen. »Bist du allein?«
    »Leider«, meinte Lutz.
    »Als ob du jetzt noch Kraft für eine Frau hättest, Angeber!«
    »Schließe nie von dir auf andere!«, verkündete Lutz.
    »Wenn du wüsstest! Ich hab eben beim Abendessen ein nettes Mädel aufgegabelt. Sie schläft im gleichen Hotel. Eine Etage unter mir. Sie hat mich auf ihr Zimmer eingeladen, aber ich war eisern. Wir gehen morgen ein Stück zusammen.«
    »Sonst noch was?« Lutz klang plötzlich ungehalten.
    »Sie heißt Helena.«
    »Aha!«
    »Ich freu mich richtig auf morgen.« Das musste sein.
    »Gute Nacht!«
    »Ebenso! Und träum was Schönes.« Edgar grinste. Er zweifelte keine Sekunde daran, dass Lutz jetzt in Kloster Himmerod in seinem Hotelbett lag und vor Neid keinen Schlaf fand. Das hatte er verdient. Wer eine Wette wie diese erfand, hatte noch viel mehr verdient.
    Wenig später rief er seinen verrückten Bruder Guido an. Er musste herausbekommen, wie Rita auf den falschen Schramm reagiert hatte. Seine Vorstellung vom Aufeinandertreffen der beiden ungleichen Reisenden

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