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Tote gehen nicht

Tote gehen nicht

Titel: Tote gehen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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eine Schlange ihre Haut. Er setzte den Rucksack ab, fuhr sich durch die Haare, strich sein Shirt glatt und zog seine Hose hoch. Er putzte seine Brillengläser mit einem Taschentuch und sagte: »Meine Name ist Edgar Schramm.«
    »Oh!« Der Rezeptionist hatte seine plötzliche Verwandlung staunend verfolgt. Ungläubig kontrollierte er seinen Kalender. »Entschuldigen Sie, aber ...«
    »Kein Problem«, meinte Edgar. »Hauptsache ich bekomme ein Zimmer.«
    »Natürlich, Herr Dr. Schramm, natürlich«, beteuerte er und drückte anstandslos den Hotelstempel auf die Stempelkarte, ohne vorher die Uhrzeit kontrolliert zu haben.
    Während Edgar den Meldezettel ausfüllte, zeigte der Rezeptionist höfliches Interesse an seinem Vorhaben, den Eifelsteig bezwingen zu wollen, und erkundigte sich, wohin es am nächsten Tag ginge. Edgar gab Auskunft und wartete darauf, dass der Mann seinen Personalausweis sehen wollte, den er seinem Bruder Guido kurz vor seinem Abflug zugeschickt hatte.
    Er war vorbereitet. In diesem Falle würde er in den Tiefen seines riesigen Rucksacks zu kramen beginnen, alles herausholen und ausbreiten, in der Hoffnung, der Rezeptionist würde entsetzt Abstand nehmen. Notfalls würde Edgar am Ende des Suchens schlichtweg behaupten, er habe ihn vergessen oder verloren. Aber es kam weder zu dem einen noch zu dem anderen.
    »Warten Sie«, sagte der Mann. »Ein Gespräch für Sie habe ich irgendwo notiert.« Er begann nervös in einem Papierstapel zu wühlen.
    »Lassen Sie es gut sein«, kürzte Edgar die Aktion ab. »Ich kann mir denken, wer das war.«
    Sein Freund Lutz, niemand anders sonst wusste, wo er heute Abend abstieg.
    »Tut mir leid ... hier ist Ihr Schüssel«, sagte der Mann.
    Erleichtert nahm Edgar ihn in Empfang, sammelte Rucksack und Poncho ein und gönnte sich den Aufzug.
    Das Zimmer mit der Nummer 392 war ausgesprochen schlicht und im Charme der frühen 60er Jahre gehalten. Schleiflackmöbel, Cocktailsessel, Spitzengardinen. Edgar prüfte nicht – wie gewöhnlich – zuallererst die Matratze, er würde heute Nacht überall schlafen können. Selbst auf einem Seziertisch.
    Er stellte seinen Wanderstock in eine Zimmerecke, hängte den Poncho im Bad an den Duschkopf. Das Bad war renoviert und strahlend weiß – gewesen, denn Edgars Wanderschuhe hinterließen schwarze Schlammabdrücke. Drei hin, drei zurück.
    Er warf den Rucksack auf den Boden, hockte sich auf die Bettkante und band seine Wanderstiefel auf. Als er seine Füße aus den Schuhen zog, waren sie noch immer ohne Blasen und Schrunden, und er pries die Qualität seiner Schuhe. Er ließ sich rücklings aufs Bett fallen, legte die Arme unter den Kopf und stöhnte so laut auf, dass die Hotelwände zitterten.
    Er hatte keine Ahnung, wie Lutz das schaffen wollte, so völlig ohne Kondition. Sie hatten am Vorabend von ihren jeweiligen Standorten aus telefoniert. Edgar aus Roetgen, Lutz am anderen Ende des Eifelsteigs aus Bruch. Lutz war erschreckend guter Dinge und angeblich kein bisschen erschöpft gewesen, obwohl er seine erste Doppeletappe hinter sich hatte, Trier-Kordel-Bruch. Edgar wusste, dass er ihm etwas vormachte, Lutz würde nie zugeben, dass er fix und fertig war.
    Edgar schloss die Augen. Er wäre jetzt auch am Ende, wenn er nicht so gut in Form wäre. Aber so war er zufrieden mit der Leistung, die er heute gezeigt hatte. Immerhin war er ein Leistungssportler. Jogger aus Leidenschaft. Sein Herz war das große Herz eines Sportlers, sein Ruhepuls lag um die 60. Er lief Halbmarathon und manchmal auch Marathon.
    Edgar streckte die Arme weit neben sich aus, fast konnte er von einer Bettseite zur anderen fassen. Seine Schultern waren den Rucksack nicht gewöhnt. Sie schmerzten und knackten. Er war nie mit 40 Kilo Gepäck auf dem Buckel gelaufen. Die zwei Tage, die hinter ihm lagen, waren erst der Anfang. Acht weitere Tage lagen noch vor ihm. Aber eine Herausforderung wie diese hatte er lange nicht mehr angenommen.
    »Scheißwette«, stöhnte er, zog seinen Brustbeutel hervor und fischte ein Bündel Zettel heraus. Bis auf einen steckte er alle zurück. Er hielt ihn sich auf Nasenlänge vor die Augen und deklamierte ein weiteres Mal den Plan, den Lutz ihm 10 Tage nach dem Gespräch mit Hagen im Bistro ParaGraf in die Hand gedrückt hatte, obwohl er ihn nahezu auswendig kannte:

    »47 Kilometer!«, stöhnte Edgar auf und ließ seine Hand mit dem zerknitterten Zettel neben sich auf die Bettdecke sinken. Ein logistisches Meisterwerk hatte Lutz

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