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Tote gehen nicht

Tote gehen nicht

Titel: Tote gehen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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schwankte zwischen Schuldgefühl und Häme.
    Guido erzählte begeistert und ausführlich vom Schiff und der Reise, vom Essen und vom Luxus und erwähnte auch ganz erleichtert, dass sich, außer einer gewissen Rita Funke, bisher niemand für seine Identität interessiert habe. Sie habe sich allerdings ein wenig gewundert, dass die Brüder die Plätze getauscht hatten, aber es auch nicht weiter tragisch genommen.
    »Ist sie nicht sauer?«, fragte Edgar nach.
    »Warum sollte sie? Willst du sie sprechen?«
    Schnell drückte Edgar das Gespräch weg.
    Nach einer heißen, langen Dusche, während der er das Bad gleichermaßen in eine Sauna und ein Schwimmbad verwandelte, in dem die Schlammspuren seiner Stiefelsohlen noch das geringste Problem waren, kroch er in die Federn. Er schlief auf der Stelle ein und wachte in der gleichen Position wieder auf, mit der Diagnose: Mir tut nichts weh, Herr Doktor.

5. Kapitel
    13. Mai, 7.00 Uhr Einruhr-Gemünd
    Pünktlich um 7 Uhr saß Edgar am nächsten Morgen im Frühstücksraum an einem Tisch, der für zwei Personen gedeckt war. Wer nicht da war und nicht kam, war Helena Finn. Edgar frühstückte ausgiebig, packte sich ein Lunchpaket und ließ die Uhr nicht aus den Augen. Helena hatte wohl verschlafen, es sollte ihm recht sein.
    In seinem Zimmer schnürte er seine Wanderschuhe. Nach einem Blick aus dem Fenster rollte er den Poncho zusammen, packte den Rucksack, zog seine Windjacke an, griff nach seinem Wanderstock und stieg die Treppen hinunter.
    Im zweiten Stock packte ihn die Neugier, er ging auf leisen Sohlen bis ans Ende des Flurs und klopfte an Helenas Tür. Es war still dahinter. Er wollte gehen. Eigentlich. Aber als er die Hand auf die Klinke legte, ließ die Tür sich ganz leicht aufschieben. Die Vorhänge waren zugezogen. Helena lag im Bett.
    Sie lag auf dem Rücken, ihr Nachthemd war ein bisschen verrutscht, so dass er eine nackte Schulter und den Ansatz ihrer Brust sehen konnte. Ihre Arme lagen neben ihr. Helena schlief so fest, dass ihre Augenlider sich nicht bewegten, nicht einmal ihre Brust hob oder senkte sich vom Atmen.
    Edgars Augen wanderten von ihr zu ihrem Nachttisch, wo ihr Schmuck unter der Nachttischlampe zu einem Häufchen aufgeschichtet lag. Er ließ kurz seine Finger darüber gleiten. Keine billigen Klunker waren das, das erkannte er sofort.
    Darunter blitzte der halbe Tabletten-Blister hervor. Seine Finger prüften jedes der sechs kleinen, gestanzten Löcher. Und jedes war leer. Ein neuer Seitenblick auf Helena ließ ihn erstarren.
    Er legte zwei Finger erst an ihr Handgelenk, dann an ihre Halsschlagader, sein Ohr an Mund und Nase und auf ihre Brust. Ewige Stille. Helena schlief nicht, Helena war tot. Gesicht und Wangen wiesen Schürfwunden und Druckstellen auf, ihre Unterlippe war eingerissen. Auf dem Kopfkissen prangten kleine Blutflecken. War sie erstickt worden? Vollgepumpt mit seinen Tabletten, hatte sie keine Chance gegen ihren Mörder gehabt, der nach getaner Tat ihre Augen geschlossen und sie so friedlich drapiert haben musste, dass Edgar zunächst nichts aufgefallen war. Ihr Tod musste vor mehr als zwei Stunden eingetreten sein, denn die Totenstarre war nahezu komplett. Er hob die Decke hoch und drehte sie ein wenig zur Seite. Ihr Rücken wies bereits Totenflecken auf.
    Edgar ließ die Decke fallen und trat einen Schritt zurück. Von vielen Notdiensten konditioniert, tastete seine Hand automatisch nach seinem Handy. Er musste auf der Stelle das Notwendige in die Wege leiten.
    Aber als sein Blick auf die Uhrzeit fiel, die auf dem Display stand, erinnerte er sich an seine Wette. Während Helena Finn niemand mehr helfen konnte, stand für ihn seine Zukunft auf dem Spiel. Wenn er jetzt in die Fänge der Polizei geriete, käme er heute nicht mehr aus Einruhr weg. Das Zimmermädchen wird sie finden, tröstete er sich, steckte den leeren Blister ein und verließ den zweiten Stock so schnell er konnte. Er begegnete niemandem.
    An der Rezeption ließ er sich seine Checkout-Zeit abstempeln. 8 Uhr 12. Zimmer und Frühstück waren im Voraus bezahlt. Der Rezeptionist wünschte ihm einen schönen Tag. Edgar zog sich den Rucksack auf die Schultern und verbot sich alle negativen Gedanken.
    Lieber wollte er sich ausmalen, wie es wäre, wenn er den Posten des Chefarztes auf der Inneren in der   Klinik am Wald   in Euskirchen innehatte. Lutz musste unbedingt seine rechte Hand werden. Denn er war der einzige Mensch auf der Welt, dem er bedingungslos vertraute. Wenn er

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