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Tote gehen nicht

Tote gehen nicht

Titel: Tote gehen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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denn gewettet?«, wollte Helena wissen.
    »Ach!«, Edgar winkte ab, putze den Mund an der Serviette ab und bastelte an einer Antwort. »Nur um die Ehre!«
    Ehe Helena nachfragen konnte, wurden Hirsch und Lamm mit ähnlichen Beilagen an den Tisch gebracht. Weizen und Bitburger wurden nachbestellt. Helena und Edgar waren ausgehungert. Das Essen fand schweigend statt. Am Ende legte Helena ihr Besteck überkreuz auf den Teller und lehnte sich zurück. »Ich bin vielleicht kaputt.«
    »Morgen geht’s weiter?«, fragte Edgar und bat die stämmige Kellnerin mit einem Handzeichen um die Rechnung.
    Helena nickte. »Ich will wenigstens die Hälfte des Eifelsteigs schaffen. Morgen aber erst einmal bis nach Gemünd.«
    Edgar nickte. »Ich auch.« Er dachte kurz daran, Helena vorzuschlagen, ein Stück gemeinsam zu gehen, aber da fiel ihm ein, dass sie vermutlich für seine Maßstäbe und Ziele nicht schnell genug wanderte.
    »Nehmen Sie mich ein Stück mit?«
    »Gerne«, sagte Edgar, unfähig Nein zu sagen.
    Sie rieb mit den Händen über ihre Oberschenkel. »Mir tut alles weh. Am schlimmsten sind die Krämpfe, wenn ich zur Ruhe komme.«
    Edgar überlegte kurz und sagte: »Ich habe ein wirklich gutes Medikament dafür. Eine Tablette vor dem Schlafengehen, und Sie wachen auf wie neu geboren.«
    »Ja?«, fragte sie.
    »Ich könnte Ihnen eine abgeben.«
    »Ja?«, fragte sie, deutlich interessierter.
    »Ist Ihr Zimmer in Ordnung?«, frage er Helena, als sie beide bezahlt hatten und im Foyer auf den Aufzug warteten. Sie blickten auf ihre Schlüssel. Als Edgar aufsah, fing er den Blick des Rezeptionisten auf, der sie hinter seiner Empfangstheke stehend beobachtete. Der Mann nickte ihm zu. Aufmunternd, wie Edgar fand, um nicht zu sagen, anzüglich.
    »Sogar mit Seeblick«, sagte Helena. »Zwar nur von einem kleinen Balkon aus, aber immerhin. Und vom Balkon aus geht direkt die Notfalltreppe ab. Mir kann also nichts passieren.«
    »Aber es gibt hoffentlich einen zweiten Notausgang vom Flur aus, oder?«, erkundigte sich Edgar.
    Sie lachte ihn aus. »Nein, wenn’s brennt, müssen alle durch mein Zimmer.«
    Er legte die Stirn in Falten.
    »Sie werden es sehen, wenn Sie mir gleich die Tablette bringen.«
    Damit war die Übergabe geklärt. Sie war einen Kopf kleiner als Edgar, schlank und sie roch gut.
    Der Aufzug hielt im 2. Stock. »Bis gleich«, sagte sie und stieg aus.
    Edgar steckte in seinem Zimmer einen halben Blister des Medikaments ein. Sechs kleine, hellgrüne, verschreibungspflichtige Tabletten. Ein Tetrazepam, das er in einem kleinen Plastikbeutel im Rucksack zusammen mit ein paar anderen Medikamenten und Verbandsmaterial spazieren führte. Es waren unverkäufliche Muster aus dem Krankenhaus. Die   Klinik am Wald . Es kam ihm vor wie Jahre, dass er das letzte Mal mit wehendem Kittel durch die Flure der Inneren geeilt war.
    Helenas Zimmer war das letzte Zimmer rechts am Ende des Flurs.
    Edgar zog die Tür auf und trat auf ein Podest aus Metallgitter, von dem eine Treppe hinabführte. Der Blick reichte vom Parkplatz vor dem Haus über die Straße und den See hinweg zum gegenüberliegenden Ufer.
    Edgar klopfte an Helenas Tür.
    Sie öffnete sofort und winkte ihn herein. »Kommen Sie schon. Ich zeig’s Ihnen.«
    »Nein!«, wehrte sich Edgar und setzte gleichzeitig einen Fuß hinein.
    Ihre Balkontür führte tatsächlich zu demselben Podest und zur selben Treppe. Ein Auto fuhr an, rollte auf dem Parkplatz aus der Nische und fuhr davon. Sie konnten seine Rücklichter in der Dunkelheit verfolgen. Edgar war unbehaglich zumute. Er steckte Helena den halben Blister zu und sagte: »Aber nur eine am Tag, die anderen sind für die anderen Wandertage.«
    »Vielen Dank.«
    »Ich gehe sehr früh los«, kündigte er an und fügte hinzu. »Um 7 Uhr.«
    Ein früher Start war nicht nötig, weil er morgen nur eine Einzeletappe zu gehen hatte, aber er hoffte, sie würde bei dieser Aussicht verzichten.
    »Um 7 Uhr?«, wiederholte sie entsetzt. Sie rümpfte die Nase, nickte aber zustimmend und unterdrückte dabei ein Gähnen. »Gute Nacht.«
    »Schlafen Sie gut.«
    Als Edgar in den Aufzug steigen wollte, schlossen sich vor ihm die Türen, und die Kabine glitt lautlos hinab. Da wandte er sich der Treppe zu. In seinem Zimmer kramte Edgar sein Handy aus dem Rucksack, löschte alle Lampen bis auf die Nachttischleuchte und warf sich aufs Bett. In seiner Abwesenheit waren drei Anrufe eingegangen. Von Lutz, Guido und zum ersten Mal nach langer Zeit wieder

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