Tote gehen nicht
einen sehr großen Mann mit sehr großen Füßen handelte, der sehr schnell gehen konnte, Sie wissen ja, wie die Leute sind, da hat man wohl daraus ein ...«
»Mit welchem Namen hat er sich bei Ihnen angemeldet?«
»Dr. Edgar Schramm.« Und Mengen fuhr hastig fort. »Die Tote ist mit ihm hinterher in den Aufzug gestiegen. Da hat sie natürlich noch gelebt. Und sie sind zusammen im zweiten Stock ausgestiegen, wo sie wohnte, obwohl er im dritten Stock sein Zimmer hatte ...«
»Und wie heißt die Tote?«
»Helena Finn.«
»Herr Mengen, rufen Sie sofort den Notarzt!«
»Habe ich schon. Er steht neben mir.«
»Geben Sie ihn mir.«
Der Notarzt nuschelte das Ergebnis seiner Untersuchung ins Telefon. »Die Tote ist keines natürlichen Todes gestorben, sondern sie ist ermordet worden. Alle Symptome weisen darauf hin, dass sie mit ihrem Kopfkissen erstickt wurde. Sie war bereits über sechs Stunden tot, als ich sie untersucht habe. Aber Sie wissen selbst, Genaues kann nur die Rechtsmedizin sagen. Ich werde sie nach Aachen überführen lassen und ...«
»Nichts werden Sie tun!«, befahl Roggenmeier, »bevor wir sie gesehen haben.«
»Klar.«
Ohne sich zu verabschieden, reichte der Notarzt den Hörer zurück an Wilfried Mengen.
»Sehen Sie?«, verkündete dieser stolz.
»Ist der Mann noch im Hotel?«, fragte Roggenmeier unbeeindruckt.
»Nein, er ist heute früh zur nächsten Etappe aufgebrochen. Er geht nach Gemünd, hat er gestern Abend gesagt. Wissen Sie, er geht den Eifelsteig.«
»Ich weiß«, sagte Roggenmeier.
»Woher wissen Sie ...?«
»Ich kann Zeitung lesen. Das Ungeheuer, das jetzt keines mehr ist, geht den Eifelsteig.«
»Und nun?«, fragte Mengen.
»Fassen Sie nichts im Zimmer der Toten an«, befahl Roggenmeier. »Und rufen Sie das Personal von gestern ins Hotel. Wir sind gleich da!«
Er legte auf.
»Ungeheuer!«, sagte er laut in sein Büro hinein und rollte in seinem Chefsessel so lange herum, bis er von Angesicht zu Angesicht mit der Landkarte von Nordrhein-Westfalen zu sitzen kam, wo die Gemeinde- und Stadtgrenzen eingetragen und die Zuständigkeitsbereiche der Polizeibehörden in unterschiedlichen Farben schraffiert waren. Er hatte nicht vergessen, wie spöttisch und respektlos der Oberstaatsanwalt und Sonja Senger reagiert hatten, als er von einem Ungeheuer gesprochen hatte. Sie hatten ihm kein Wort geglaubt.
Jetzt war Roggenmeiers Stunde gekommen, wenigstens Sonja Mores zu lehren.
Er tippte die Nummer seines Aachener Kollegen in sein Telefon.
»Scherf!«, brüllte eine Stimme in sein Ohr. Irritiert hielt Roggenmeier den Hörer auf Abstand. Es war ihm entfallen, dass Scherf eine Stimme wie ein Kasernenoffizier hatte.
»Roggenmeier hier. Habt Ihr auch von dem Ungeheuer gehört, das angeblich ...«
»Ach, lass mich in Ruhe! Für so einen Blödsinn haben wir keine Zeit!«
»Du sagst es. Ich rufe an, weil ...«
»Wenn du uns etwas aufs Auge drücken willst, vergiss es.«
»Im Gegenteil«, Roggenmeier wippte mit seiner Rückenlehne auf und ab. »Ich wäre unter Umständen bereit, dir etwas abzunehmen.«
»Hoppla!«, meinte Scherf. »Denkst du an etwas Bestimmtes?«
»Eine Grenzgeschichte.«
»Ha!«, schrie Scherf auf. »Ich höre!«
Roggenmeier sprach von einem Mord im Bezirk Aachen-Simmerath und einem Verdächtigen, der auf dem Weg in den Bezirk Euskirchen sei.
»Geschenkt!«, brüllte Scherf.
»Okay.«
»Und danke! Du hast was gut bei mir. Erinnere mich bei Gelegenheit daran!« Und Scherf war weg aus der Leitung.
Roggenmeier rieb sich die Hände, als habe er den Deal seines Lebens gemacht. Er konnte es kaum erwarten, Sonja Senger auf das ehemalige Ungeheuer zu hetzen. Hocherfreut schaute er im Dienstplan nach. Er konnte sich die Arbeitszeiten ihrer halben Stelle einfach nicht merken.
»Es hat zugeschlagen«, verkündete er stolz, kaum, dass Sonja Senger sein Büro betreten hatte.
Einen Strohhalm zwischen den Lippen sah sie auf ihn herab und zog die Stirn in Falten. »Es?«
»Das Ungeheuer.«
HK Roggenmeier klärte in aller Kürze und herablassendem Ton Sonja über den Todesfall in Einruhr auf, insbesondere ohne die Verwandlung des Ungeheuers in einen normalen Menschen, namens Dr. Edgar Schramm, zu erwähnen.
»In Einruhr sagten Sie? Aber das geht uns nichts an«, meinte Sonja und wandte sich ab. »Danke für die Info, aber auf meinem Schreibtisch stapeln sich die Akten, und ich weiß nicht, was ich zuerst machen soll.«
»Dann sage ich es Ihnen: Nach Einruhr fahren«,
Weitere Kostenlose Bücher