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Tote gehen nicht

Tote gehen nicht

Titel: Tote gehen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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aussteigen und einige wenige Meter gehen musste, um Fotos vom Logo, einem Wegweiser oder einer markanten Stelle machen zu können, wie gestern erst von der Großlittger Mühle oder vorgestern vom römischen Kupferbergwerk und der Genovevahöhle südlich von Kordel.
    Im ersten Teil seiner heutigen Doppeletappe musste er – abgesehen von den üblichen Wegweisern – eigentlich nur Start und Ziel besondere Beachtung schenken, der Klosteranlage Himmerod und den Burgen von Manderscheid. Ersteres hatte er ausgiebig getan. Das idyllische Klostergelände hatte ihn beeindruckt. Das Abteibier am Vorabend hatte ihm geschmeckt.
    Lutz lenkte den Spitfire in Manderscheid auf den Parkplatz gegenüber der Tourismusinformation, zog die Wanderschuhe an und ging den Eifelsteig ein paar Kilometer in Richtung Süden bis zum Burgweiher, und in Richtung Norden bis zur ersten Schutzhütte, der Rulandhütte, wobei er fleißig Fotos schoss.
    Nachdem er auf diese Weise den ersten Teil seiner heutigen Doppeletappe mit Bravour hinter sich gebracht hatte, leistete er sich ein feines Nudelgericht in der Alten Molkerei. Anstatt im rückwärtigen Biergarten zu sitzen, nahm er vorne an der Straße Platz und beobachtete den Verkehr. Motorradkolonnen und Autos aus den zwei Nachbarländern, Touristenbusse. Weiter unten erhoben sich Manderscheider Burgen aus den Wäldern. Lutz sah nicht auf die Uhr und ließ sich Zeit, in der Gewissheit, Edgar würde ihn niemals schlagen können. Gleichgültig wie lange Lutz hier säße, gleichgültig wie schnell Edgar ging.
    Angenehm gesättigt und trotz Espresso leicht ermüdet, machte Lutz sich nach einer Weile mit seinem Spitfire auf den Weg nach Daun und segnete insgeheim den Tag, an dem ihm eingefallen war, den Eifelsteig nicht zu gehen, sondern zu fahren.
    Selbst das kam ihm jetzt fast zu anstrengend vor. Unterwegs musste er nämlich noch am Eckfelder Trockenmaar, an der Üdersdorfer Mühle und in Schalkenmehren halten, um die drei Maare zu fotografieren, ehe er sein Auto in Daun in einer Seitenstraße parkte, wehmütig zurückließ, um sich mit schwerem Gepäck scheinbar abgekämpft und mit letzter Kraft zum gebuchten Hotel zu schleppen. Er checkte ein und ließ sich seine Ankunftszeit quittieren.
    Es war erst kurz nach 15 Uhr.
    Er war schnell.
    Er war schneller als Edgar.
    Warum konnte er sich darüber nicht richtig freuen? Woher kam bloß das Gefühl, dass es nicht reichen würde, schneller zu sein?
    * * *
    8.15 Uhr, Kriminalkommissariat, Euskirchen
    HK Roggenmeier saß einigermaßen beunruhigt in seinem Büro. Zwar war das angebliche Ungeheuer noch nicht in seinem Bezirk gesehen worden, aber er spürte mit allen Fasern seiner Uniformjacke, die hinter ihm frisch gebügelt an der Garderobe hing, dass sich das jeden Moment ändern konnte.
    Jeder Tag war ein Aufschub. Jedes Telefonklingeln eine Warnung. Er fixierte den Apparat. Dieser klingelte. Roggenmeiers Hand schnappte nach dem Hörer.
    »Wilfried Mengen hier, ich bin Empfangschef im Hotel Seeadler in Einruhr. Ich habe eine Meldung zu machen.«
    Erleichtert konterte Roggenmeier: »Für Einruhr sind wir nicht zuständig.«
    »Ich weiß, aber mein Chef sagt ...«
    »Wenden Sie sich an die Aachener Polizei. Warten Sie, ich gebe Ihnen die Nummer ...« Während Roggenmeier in seinem Rechner die Telefonnummer der Kollegen suchte, fuhr der aufgelöste Mann am anderen Ende der Leitung fort zu reden. Roggenmeier hörte nur mit halbem Ohr zu, aber dann fiel ein Wort und er hielt inne. »Was haben Sie da gesagt?«
    »Das Ungeheuer aus der Zeitung.«
    »Was ist mit ihm?«
    »Habe ich doch gerade gesagt«, meinte der Mann beleidigt.
    »Würden Sie es bitte wiederholen, Sie haben so schnell gesprochen, dass ich nicht alles verstehen konnte!«
    »Wir haben einen toten Gast bei uns im Hotel, ich meine, wir haben heute Morgen eine Frau tot in ihrem Bett gefunden. Gestern Abend hat sie noch mit ihm gegessen.«
    »Mit dem Ungeheuer?«
    »Ja und Nein«, sagte Mengen widerstrebend. »Eigentlich gibt es dieses Ungeheuer gar nicht.«
    »Wieso nicht?«, fragte Roggenmeier mit einer Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung.
    »Als es unser Hotel betrat, war es noch eines, aber dann hat es sich vor meinen eigenen Augen in einen ganz normalen Menschen verwandelt. In einen Mann.«
    »Wie das?«
    »Schuld waren nur dieser dunkle und weite Regenponcho, der ihm von der Nasenspitze bis zu den Stiefeln reichte, und der Rucksack darunter und der knorrige Wanderstock. Und da es sich um

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