Tote gehen nicht
rot gekennzeichneten Eifelsteig entlang. Aber kurz vor oder hinter Steinfeld, da war kein Ort, wo Schramm hätte übernachten können. »Vielleicht schläft er im Heu.«
»Blankenheim«, beharrte Brummer. »Vielleicht hat Schramm dort für morgen gebucht, dann wissen wir wenigstens, in welche Richtung er unterwegs ist.«
Blankenheim war ungleich größer als Steinfeld. Brummer und Neugebauer telefonierten eine Weile mit der Touristinformation herum und kassierten eine Niete nach der anderen. Aber einmal auf die Spur gesetzt, waren sie wie Hunde, sie ließen nicht ab, auch nicht, als es klopfte.
Matthias Krings, der Kollege der KTU, steckte seinen Kopf durch die Tür und begrüßte Sonja: »Schlechte Nachrichten, Frau Hauptkommissarin, die Tatwaffe haben wir nicht gefunden. Und auch sonst keine Sensationen.«
»Auch keine Kippe, so wie in Einruhr?«, fragte sie und zog den zerkauten Strohhalm aus ihrem Mund.
»Auch nicht, leider nein«, bedauerte Krings. »Sie hören von uns, sobald wir die Spuren und Fingerabdrücke ausgewertet haben.«
»Vielleicht haben wir Glück, und es gibt Übereinstimmungen mit Einruhr«, meinte Sonja.
»Die Hoffnung stirbt zuletzt!« Krings hob die Hand zum Gruß und verschwand.
Krings hatte recht. Selbst wenn es Übereinstimmungen unter all den Fingerabdrücken in den vier Hotelzimmern gab, wusste man nicht, wem sie gehörten. Es war ein Elend und das eigentliche Übel im System: Von Ersttätern gab es in keiner Datei dieser Welt Fingerabdrücke!
Der neue deutsche Personalausweis, der seit November 2010 ausgegeben wurde, konnte immerhin auf Wunsch biometrische Daten enthalten, also, zwei digitale Fingerabdrücke des Inhabers. Sonja war kein Befürworter der Option, allein die Pflicht wäre hilfreich. Aber die Furcht des Bürgers, ein gläserner zu werden, konnte sie ebenfalls gut nachvollziehen. Eine Frage des Leidensdrucks.
»Treffer!«, rief Neugebauer plötzlich und erklärte den verwunderten Kollegen, dass Dr. Edgar Schramm für die Nacht vom 14. auf den 15. Mai tatsächlich in Blankenheim ein Zimmer gebucht hatte, und zwar im Hotel Talblick. Das war für die kommende Nacht.
Sonja nickte anerkennend. »Gut. Dann schicken wir jetzt einen Hubschrauber und eine Suchmannschaft auf die Strecke.«
»Und uns«, bestimmte Brummer und zog seinen Kollegen aufgeregt am Ärmel. »Wir fahren nach Steinfeld, parken da und gehen Schramm hinterher.«
»Oder wir fahren nach Blankenheim und gehen ihm entgegen«, schlug Neugebauer vor.
»Legt einen entsprechenden Habit an, dann fallt ihr weniger auf«, riet Sonja kopfschüttelnd.
»Eine Kutte?«, fragte Neugebauer nach. »Was tragen denn die Salvatorianer so?«
»Schwarz und lang«, brummte Brummer.
Die Aussicht auf eine stramme Wanderung während der Dienstzeit berauschte die Hauptkommissare derart, dass sie kaum hörten, wie Sonja sich bereit erklärte, in der Zwischenzeit dem Witwer die traurige Nachricht zu überbringen.
Eine Fahrt nach Köln war für Sonja Senger, was eine Wanderung für Neugebauer und Brummer war. Sie liebte Aufträge, die sie in ihre alte Heimatstadt führten. Es war lange her, dass sie dort gewohnt hatte. Mehr als zehn Jahre lang trieb sie sich schon in der Eifel herum. Die Sehnsucht nach der großen Stadt war mit den Jahren kleiner geworden, aber wenn sie den Dom sah, wurde ihr immer noch warm ums Herz.
Die Wohnung der Anna Grund befand sich im Haus Gereonstraße 177 in der obersten Etage. An der Klingel stand ihr Name.
Nach einer Weile erscholl eine ungeduldige männliche Stimme aus der Gegensprechanlage: »Polizei? Das kann jeder sagen. Aber kommen Sie hoch. 4. Etage. Wenn Sie keinen Ausweis haben, fliegen Sie sofort wieder raus.«
Sonja nahm die Treppen. Klaus-Peter Grund überprüfte gewissenhaft Sonjas Legitimation und gestattete ihr dann einzutreten. Er war nicht allein zu Hause und deutlich älter als das blonde Wesen, das sich auf dem überdimensionierten, braungrauen Sofa vor den bodentiefen Fenstern in der Sonne räkelte. Es war etwa so alt wie seine ermordete Stieftochter. Und halb so jung wie seine ermordete Frau.
Die Etagenwohnung war riesig und, mit Ausnahme einiger Antiquitäten, hypermodern eingerichtet. Grund führte Sonja über einen weiten Flur in eine Art Wohnzimmer. Kalter Tabak hing in der Luft. Sie rümpfte die Nase.
»Willst du dir nicht die Haare machen?«, herrschte er das unbekümmerte Wesen an, zog es, seine bemitleidenswert winzige Taille umfassend, hoch, stellte es auf seine
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