Tote gehen nicht
Meinen Sie, ich habe mein Mädchen umgebracht?«
»Und danach?«, fragte Sonja weiter.
»Bei ihr.« Klaus-Peter Grund wies mit dem Kopf in Richtung Bad.
Sonja wies ebenfalls mit dem Kopf in Richtung Bad und fragte: »Wo wohnt sie denn?«
»Hansaring.«
»Ich nehme an, sie wird das bezeugen können.«
Er grinste. »Darauf können Sie wetten.«
»Und wo war Ihre Frau?«
Er schob die Unterlippe vor. »Ich nehme an, hier. Ich habe sie zwei Tage nicht gesehen. Sie hat mir einen Zettel irgendwann hingelegt, darauf steht, dass sie bei ihrer Freundin ist.« Während er sprach, durchwühlte er die Schubladen eines Sekretärs. Echt antik. »Fragen Sie mich nicht, bei welcher. Ich finde den Zettel nicht. Und Anna geht nicht an ihr Handy. Ich verstehe das alles nicht.
»Sie ist tot«, sagte Sonja leise.
Er hielt mitten in der Bewegung inne. »Was haben Sie gesagt?«, fragte er, ohne sich zu bewegen.
»Sie ist auch ermordet worden.« Als er weiter unbeweglich schwieg, fuhr sie fort: »Gestern Nacht, in einem Hotel in der Eifel.«
»Was?« Grund schlug sich, jetzt sichtlich fassungslos, an die Stirn. Dann schüttelte er gekonnt seine Wellen und griff sich an die Brust. »Das darf nicht wahr sein. Ist da ein Serienmörder unterwegs?«
Sonja zuckte mit den Schultern. »Das wollen wir doch nicht hoffen.«
Wieder registrierte sie, dass er weder nach dem Namen des Ortes noch dem des Hotels fragte. Dafür konnte es außer seinem Leidensdruck noch eine andere Erklärung geben.
»Moment! Wollen Sie mir das etwa anhängen? Darum sind Sie doch hier, oder?« Grund winkte ab. »Gehen Sie mir weg!«
»Von Anhängen kann keine Rede sein.« Sonja seufzte. »Wo waren Sie letzte Nacht?«
»Im Betrieb!«, schrie er sie an. »Ja, schon wieder. Es gibt nämlich Leute, die müssen für ihr Geld arbeiten.«
»Und danach wieder bei ihr?«, fragte Sonja und zeigte auf die Badezimmertür, die sich im gleichen Augenblick öffnete.
»Klausi?«
»Verschwinde!«
Das blonde Wesen huschte ängstlich rückwärts.
»Würden Sie Ihre Ehe als gut bezeichnen, Herr Grund?«
»Ja«, beteuerte Grund. »Wir sind moderne, offene, tolerante Menschen im 21. Jahrhundert.«
»Schön für Sie«, sagte Sonja. »Was wird denn jetzt aus allem werden? Ich meine, hier die Wohnung, den Betrieb, eventuelles Vermögen? Wer erbt das alles? Sie?«
Grund nickte und lächelte zynisch. »Ja, ich. Das wollten Sie hören, oder?«
»Mich interessieren nur Fakten, sonst nichts«. Sonja erhob sich. »Wir werden das alles überprüfen und uns dann bei Ihnen melden. Wenn Sie mir versprechen, sich zur Verfügung zu halten und nicht zu fliehen, erspare ich Ihnen die Untersuchungshaft.«
Grund nickte mechanisch.
»Und jetzt fahren Sie bitte in die Rechtmedizin und identifizieren Sie Ihre Frau.«
»Ist Helena auch ...?«
»Ja. Sie können Sie sehen, wenn Sie wollen.«
»Ich bin nur ihr Stiefvater.«
»Ich kündige Sie an.«
»Danke.«
Von Grunds Charme war nichts übrig geblieben. Er machte keine Anstalten, Sonja zur Tür zu bringen. Er lehnte an seinem antiken Sekretär und war wie erstarrt, nicht mehr braungebrannt, sondern grünlich-fahl. Seine schönen Wellen waren in sich zusammengesunken. Sein breites Kreuz gebeugt. Das haut den stärksten Mann um, dachte Sonja, zwei tote Frauen auf einen Streich. Selbst wenn er jetzt ein gemachter Mann war. Da würde die kleine Blonde viel zu tun haben, um ihn aufzubauen.
»Ach«, sagte Sonja, im weiten Flur stehend. »Interessieren Sie sich gar nicht dafür, wo es passiert ist?«
»Sie haben gesagt in der Eifel!«, wehrte sich Grund.
»Stimmt, ich vergaß«, sagte Sonja. »In der Eifel.«
8. Kapitel
14. Mai, 15.00 Uhr Kriminalkommissariat, Euskirchen
Zurück in Euskirchen fing HK Roggenmeier Sonja im Flur ab. Von der Empfangszentrale aus hatte man ihm wohl ihre Ankunft avisiert. Er stand vor seiner Tür und wippte auf den Zehen. Neben ihm hockte ein Wachmann auf einem Stuhl und musterte seine Fußspitzen. Roggenmeier wies mit dem Kopf in sein Büro. »Wir warten bereits auf Sie.«
Sonja war zu erschöpft, um sich zur Wehr zu setzen. Eine Zigarette oder Zeit für ein paar Tai-Chi-Übungen hätten sie noch retten können, sonst nichts. Nach beidem sah es nicht aus.
»Wir haben hohen Besuch«, verkündete Roggenmeier stolz.
Sie trat ein und sah die Bescherung. Oberstaatsanwalt Bernd Wesseling erhob sich bei ihrem Anblick. Er zog die Nase hoch.
Ihr Blick wanderte von Wesselings akkuratem Mittelscheitel zu einer
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