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Tote gehen nicht

Tote gehen nicht

Titel: Tote gehen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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Klostergebäude zeichneten sich schemenhaft durch den Nebel ab. Ein weitläufiges Gelände, die Klostermauer schien kein Ende zu nehmen.
    Im Gegensatz zu den Touristen, die einzig des Klosters wegen nach Steinfeld gekommen waren und hier und dort in kleinen Gruppen herumstanden, überquerte Edgar im Laufschritt die Straße und tauchte in das nächste Waldstück ein, wo ihm nach ein paar Schritten zwei Ordensmänner entgegenkamen, die ihr Gespräch unterbrachen, um ihn zu grüßen.
    »Einen wunderschönen Tag«, wünschten sie ihm, milde lächelnd.
    Edgar dankte mit einem Nicken.
    »Wohin des Weges?«
    »Eifelsteig«, antwortete er kurz und knapp und wunderte sich über seine Stimme. Sie klang ungewohnt rau. Er hatte seit Olef mit niemandem mehr gesprochen.
    »Einen gesegneten Weg.« Der Mann schien nicht den Weg zu segnen, sondern ein unsichtbares Insekt wegzuscheuchen, das wohl um seinen Kopf kreiste und einen Landeplatz suchte.
    Edgar sah den Männern nach, wie sie ihre langen, schwarzen Kutten durch den matschigen Weg zogen. Wenn sie durch ihre Schritte hoch wehten, kamen Wanderstiefel darunter zum Vorschein.
    Einen Moment lang überlegte er, sie um Gehör zu bitten, um einen Rat, um göttlichen Beistand. Das aber würde vermutlich länger dauern, da Gott – daran konnte er sich noch aus Zeiten des Religionsunterrichts erinnern – sich im Munde seiner irdischen Vertreter immer sehr ausführlich äußerte. Sie waren Salvatorianer. Edgar wusste nichts über ihre Lebensregeln, ihm fiel spontan nur die Salvatorische Klausel ein, die er unter manchem Vertrag gelesen hatte, und den Fortbestand eines Vertrags auch dann sicherte, wenn der eine oder andere Paragraph entfiel.
    Edgar horchte in den Wald hinein. Seltsame, lauernde Stille lag zwischen den Stämmen und Ästen. Als ob Astlöcher gucken könnten, spürte er Blicke. Als das Knattern des Hubschraubers lauter wurde, war es mit der Ruhe vorbei. Edgar wandte sich kopfschüttelnd ab und setzte im Zickzacklauf zwischen den Baumstämmen den Weg fort, von dem er bezweifelte, dass er gesegnet war. Als er ein weiteres Mal nach den Ordensmännern Ausschau hielt, waren sie bei einem anderen Wanderer stehen geblieben. Die drei blickten in Richtung Hubschrauber und diskutierten.
    Edgar sah zu, dass er weiterkam.
    Seit heute Mittag war er niemandem mehr begegnet. Über den Gillesbach ging es hinweg in großen Schleifen um den Königsberg herum, wo der gewöhnliche Wanderer am Eifelblick innehielt, um den großartigen Panoramablick bis zum Kloster zu genießen.
    Selbst der rastlose Roboter in Edgar hielt endlich inne. Nicht wegen der Aussicht, die dem Nebel anheimgefallen war, sondern weil es in seinem Rucksack wieder klingelte.
    Guido. Ein kleiner Klick und das Gespräch wäre weggewesen, aber aus Neugier drückte Edgar den grünen statt den roten Knopf. »Ja?«
    »Ich bin’s, Guido.«
    »Weiß ich, steht auf meinem Display. Was macht das Mittelmeer?«
    »Keine Ahnung.«
    »Wieso nicht? Hat sich der Kapitän auf der Straße von Gibraltar verfahren?«, fragte Edgar und versuchte zu lachen. Er brachte ein klägliches Gekrächze zustande.
    »Auf dem Atlantik bin ich auch nicht. Ich bin … zu Hause.«
    »Und Rita?«, fragte Edgar nervös.
    »Dieses Mal kannst du sie nicht sprechen, denn sie ist noch auf hoher See, die Glückliche. Alle sind noch an Bord, nur ich nicht.«
    »Wieso?«
    »Nicht am Telefon!«
    »Dann musst du warten. Vor dem 20. Mai bin ich nicht zurück.«
    »Mist! Das ist noch lange hin. Wo bist du denn jetzt?«
    »Warum willst du das wissen?«
    »Ich muss jetzt mir dir reden. Es ist dringend.«
    »Ich höre!«
    »Nicht am Telefon. Könnten wir uns irgendwo treffen?«
    »Mensch, ich hab keine Zeit dafür. Ich hab’s eilig.«
    »Und wenn ich ein Stück mit dir gehen würde?«, hörte Edgar Guido fragen.
    »Nein!«, schrie Edgar ins Telefon. »Kommt nicht infrage. Ich habe weder Zeit noch Lust dazu.«
    »Auch nicht, wenn ich dir sage, dass ich etwas habe, das dich ein für alle Mal von dem Verdacht des Doppelmordes entlastet?«
    Edgar nahm erschreckt das Handy vom Ohr. Er stand schräg gegenüber der Römerquelle   Grüner Pütz . Im Stile eines Amphitheaters lag die Quellfassung tiefer und in einem halbrunden Platz. Von hier führte der Römerkanal über 100 Kilometer bis nach Köln. Das Haupt der Medusa am Ende der U-förmigen Steinmauer lag im Halbschatten. Ihr Mund schien zu lächeln. Nicht lieblich, sondern hämisch – so kam es Edgar vor.
    Doppelmord hatte

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