Tote gehen nicht
U-Haft oder .....«
»Oder?«, fragte Guido misstrauisch.
»Sie rufen Ihren Bruder auf der Stelle an und .... Sie haben doch seine Telefonnummer, oder?«
Guido nickte zaghaft.
»Gut. Verabreden Sie sich mit ihm.«
»Ich soll wandern?«, fragte Guido entsetzt.
»Es wird nicht für lange sein, wir sind schnell«, versicherte Wesseling.
»Das ist Erpressung!«
Nicken der Gesetzeshüter. Roggenmeier hielt Guido Schramm seine Schultertasche entgegen. Guido hockte sich hin und schüttete den Inhalt auf das Linoleum. Er wühlte zwischen seinen Utensilien herum, bis er auf ein Handy stieß. Als er es einschalten wollte, war der Akku so leer, dass nicht einmal mehr die Telefonnummern aus dem Adressbuch angezeigt werden konnten.
Sonja spuckte den Strohhalm aus, fing ihn mit der Hand auf und warf ihn in den Papierkorb. Als sie ihr Zigarettenetui zückte, sagte Roggenmeier: »Stecken Sie sich ruhig noch eine an, Frau Hauptkommissarin.«
Sonja fand die Situation viel zu spannend, um sich von seiner Bemerkung ablenken zu lassen. Das Netzkabel zu Guidos Handy befand sich nicht in der Schultertasche, und Guido meinte, es könnte sein, dass er es vor Aufregung auf dem Schiff vergessen habe. »Können Sie da bitte mal anrufen? Es liegt bestimmt noch in meiner Kabine in meinem Nachttisch«.
»Jetzt reicht’s mir aber!« Wesseling schlug mit der flachen Hand auf Roggenmeiers Schreibtisch. Das Telefon klingelte im gleichen Moment. Vier Augenpaare hypnotisierten es.
Roggenmeier hob ab und hörte das Freizeichen.
Wesseling nahm Guido das Handy ab, wedelte damit herum und befahl: »Bringen Sie es zu einem Spezialisten im Hause, der soll es gefälligst in Gang setzen.«
Roggenmeier riss es Wesseling aus der Hand und lief hinaus. Man hörte seine Schritte den Flur entlangstapfen. Sonja fragte sich, wem er diesen erfreulichen Job wohl aufs Auge drücken mochte.
Wesselings Gesicht war hochrot, stellte Sonja besorgt fest. Irgendwann würde er an seiner Ungeduld sterben. Wenn die Dinge nicht liefen, wie er es wünschte, nämlich nach dem Motto – ich kam, ich sah, ich nahm fest – dann verlor er jede Contenance. Warum machte er kein Tai Chi?
Roggenmeier war noch nicht zurück, als sich das Telefon auf seinem Schreibtisch erneut meldete.
Sonja nahm ab: »Prima! ... Ich komme sofort. Wo ist Ihr Büro?«
In der Tür stieß sie mit Roggenmeier zusammen, der in der Kantine drei halbe Brötchen besorgt hatte. Zwei mit Käse, eines mit Fleischwurst.
»Für mich Käse. Ich hole nur schnell das Handy. Wie ist die PIN?«
Guido betrachtete die Zimmerdecke, als stünde sie dort geschrieben. »Ich glaube 4633.«
»4633«, wiederholte Sonja und ließ die Tür offenstehen.
Während Guidos Handy im Büro des unbekannten Kollegen noch an einem Universal-Ersatz-Netz-Kabel hing, tippte Sonja die PIN ein. Und ... war drin. Sie blätterte durch die gespeicherten Telefonnummern. Und fand Edgar. Und jetzt? Edgar sollte die Stimme seines Bruders hören, nicht ihre.
»Sie können das Kabel gern mitnehmen. Wenn Sie es in Ihrem Büro an den Strom legen, können Sie auch sofort telefonieren«, riet der Kollege, als er bemerkte, wie ratlos Sonja war.
Sie seufzte und verdrehte die Augen. »Logisch. Danke. Darauf hätte ich auch kommen können, aber ...«
»Kein Problem. Jeder steht mal auf der Leitung.«
Sonja blickte von ihm zum Handy und wieder zurück und brachte ein schiefes Lächeln zustande, das der Kollege mit breitem Grinsen erwiderte.
»Aber das Kabel bekomme ich zurück!«
»Auf jeden Fall!«
Als sie die Tür schloss, studierte sie das Namensschild. Holger Krach, Abteilung Computerkriminalität , offensichtlich auch ein Fachmann für zerstreute Hauptkommissarinnen.
»Hier!«, sagte Sonja, zurück in Roggenmeiers Büro, steckte das Kabel in eine Steckdose und hielt das Handy Guido hin. Ihre Blicke glitten über den Schreibtisch auf der Suche nach dem Teller mit den Brötchenhälften. Er war bis auf wenige Krümel leer. Die restlichen Krümel klebten jetzt in den Mundwinkeln der Gesetzeshüter. Guido wollte die gespeicherte Nummer wählen, als Wesseling dazwischen ging. »Stopp!« Wir müssen erst abklären, wie wir vorgehen werden.«
Sonja seufzte. Wesseling stand auf, legte die Hände auf den Rücken und wanderte im Büro auf und ab. Drei Schritte hin und drei zurück. Drei Mal. Dann sagte er zu Guido: »Jetzt können Sie Ihren Bruder anrufen!«
»Und was soll ich ihm sagen?«
»Sie müssen ihn dringend treffen und zwar
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