Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
dann passt das so gar nicht zu den Anschuldigungen der Familie Fichtenau, die behauptete, dass Grubers ihre Tochter früher schlecht behandelt, ja sogar misshandelt hätten.
Maik hatte sich laut Vernehmungsprotokoll in diese Richtung geäußert, und auch seine Eltern machten mehr als nur Andeutungen.
Kurz bevor ich in die Lage komme, darüber erleichtert zu sein, dass sich Teichner bei diesem Gespräch so angenehm zurückhält, blökt er:
«Was ist da oinklich los mit den Fichtenaus und Ihnen? Sie hassen sich doch bis aufs Blut, wa?»
Dieter Gruber verzieht keine Miene, sondern sagt nur tonlos: «Wir hassen nicht, junger Mann. Wir sind Christen.»
Ich blicke auf den armen hölzernen Jesus, der auch an dieser Wand mit zur Seite gelegtem Kopf langhaarig am Kreuz zu hängen hat.
«Wir schließen auch den Maik in unsere Gebete ein, das können Sie uns glauben», ergänzt Brigitte Gruber.
Diesmal tätschelt Dieter Gruber die Hand seiner Frau. Er beugt sich vor und fragt an mich gewandt: «Ist das Ihr Vater, der vermisst wird?»
Ich nicke.
«Und Sie denken, dass Maik sich an ihm gerächt haben könnte, nicht wahr?»
«Ja, das befürchten wir», antworte ich. «Und in diesem Zusammenhang schließen wir leider nicht aus, dass er auch bei Ihnen aufkreuzen könnte.»
«Wieso bei uns?», fragt Brigitte Gruber. «Was soll er denn von uns wollen?»
Ich erkläre ihnen, Fichtenau habe während der Verhöre vor zwanzig Jahren Andeutungen gemacht, dass Kirsten von ihrer Familie misshandelt worden sei. Nun beobachte ich sehr genau ihre Gesichter. Nichts sehe ich. Ihre Gesichtszüge entgleisen nicht, sie verändern sich nicht einmal.
«Darf ich Ihnen noch Gebäck bringen», fragt Frau Gruber mit Blick auf den leeren Teller. Ich sage dankend «Nein», Teichner sagt «Ja», den speckigen Schoß voller Krümel. Brigitte Gruber verlässt den Tisch und füllt das Tellerchen wieder auf.
«Wissen Sie», nimmt Dieter Gruber den Faden wieder auf, «seit Jahrzehnten verbreitet die Familie Fichtenau Lügen über uns. Meine Großeltern haben sich noch gewehrt. Ihnen wurde vorgeworfen, sie hätten Kartoffeln vom Hof gestohlen und Hühner geköpft. Da hat mein Großvater dem alten Fichtenau die Nase gebrochen. Immer und immer wieder wurden wir mit Hass überschüttet, schon meine Eltern. Es wurden die schlimmsten Dinge über meinen Vater behauptet …»
«Er soll», unterbricht Teichner, «er soll eine Fichtenau-Tochter geknattert haben, gelle?»
Stille.
«Ihm wurde tatsächlich eine Vergewaltigung vorgeworfen, das ist wahr, ja», durchbricht Dieter Gruber das peinliche Schweigen. «Das hat ihn zu einem gebrochenen Mann werden lassen.»
Teichner greift nach drei Keksen gleichzeitig, wobei einer zu Boden fällt.
Brigitte Gruber, die eine beigefarbene Strickjacke über einer beigefarbenen Bluse trägt, nimmt es gelassen zur Kenntnis.
«Und nun also, nachdem der jüngste Sohn uns die Tochter genommen hat, erzählt man, da dies anscheinend noch nicht reicht, wir hätten Kirsten misshandelt. Das ist nicht so leicht zu ertragen, wie Sie sich vielleicht denken können.»
Nun wieder greift Brigitte nach der Hand ihres Mannes.
«Aber wir, Herr Bröhmann, wir reagieren nicht mehr mit Rache und Hass. Das ist nicht unser Weg. Unser Weg ist Jesus Christus, auch wenn Versöhnung und Verzeihen in diesem Fall sehr schwerfallen.»
Beide Grubers nicken, und ich nicke einfach mal mit. Teichner krümelt.
Ich räuspere mich kurz verlegen und frage: «Haben Sie irgendeine Erinnerung daran, wo sich Maik Fichtenau früher gerne aufhielt? Wo er vielleicht gerne mit Kirsten war?»
Emotionslos antworten sie, dass sie auch nur von dem besagten Grillplatz wüssten, in dessen Nähe sie tot aufgefunden wurde.
«Haben Sie vielleicht noch alte Tagebücher Ihrer Tochter? Oder Fotos? Vielleicht finden wir da ja einen Hinweis, wo er sich aufhalten könnte. Er schien sie ja sehr, äh, geliebt zu haben, trotz allem. Da geht man gerne wieder an die alten Orte zurück.»
Versteinert blicken mich Dieter und Brigitte Gruber an. Neben mir höre ich Keksknuspern.
«Nein, wir haben keine Tagebücher mehr», sagt Brigitte Gruber mit tonloser Stimme. «Wir haben sie nach der Verurteilung verbrannt. Möge sie in Frieden ruhen.»
Dann muss Teichner husten, und mindestens einer der ausgeworfenen Keksbrösel landet in freiem Flug auf der Lippe von Brigitte Gruber.
JVA Butzbach, 2 . 9 . 2003
eltern,
ihr müsst das nicht machen. diese besuche bei mir. ich merke, dass
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