Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
ranwolle.
Rötzenbrink, der vor 15 Jahren eigentlich schon seine Trainerlaufbahn, die ihn über fast alle hessischen Fußballplätze und durch alle unterklassigen Ligen geführt hatte, beendet hatte, zeigte sich spontan bereit für ein Comeback. Er zögerte keine Sekunde.
Er nimmt diese Aufgabe ernst, sehr ernst sogar, für viele vielleicht sogar ein bisschen zu ernst. Um von vorneherein etwaigen Bedenken entgegenzuwirken, er sei zu alt für diesen Job, brachte er sich durch vom DFB angebotene Fortbildungsseminare über moderne Trainingsgestaltung auf den neuesten Stand und las zudem eifrig im Eigenstudium pädagogische Bücher. Schließlich sei es sechzig Jahre her, seit er das letzte Mal mit Siebenjährigen Umgang gehabt habe, sagte er zu Saisonbeginn. Bei seinem Sohn wusste er noch genau, was zu tun sei, um ihn zu einem fleißigen, redlichen Mann zu formen. Bei den heutigen «Rackern» sei er sich da nicht mehr so sicher.
Im Uwe-Seeler-Gedächtnisanzug begrüßt er am Parkplatz alle Eltern mit Handschlag und die Jungs, indem er ihnen urgroßväterlich kräftig über den Kopf streichelt. «Na, Buben, das ist doch mal ein Fritz-Walter-Wetter, was?»
Während die Jungs, die sich allesamt nur schwer an das Fritz-Walter-Wetter beim WM -Finale von 1954 erinnern können, sich in die Autos verteilen, setzen orkanartige Böen ein, wie es immer so schön heißt.
Und da rückt es nun an, das halbe Ober-, Mittel- und Osthessen. Alt und Jung, Dick und Doof, Schwarz und Weiß, Reich und Arm, alles ist dabei. Hunderte von Eltern, Großeltern, Geschwistern und Trainern okkupieren gemeinsam mit den kleinen Spielern den Sportplatz des SV 1921 Herbstein.
Emsig werden Tische mit Kaffee und Kuchen aufgebaut, Kühlboxen, gefüllt mit Getränken und Grillgut, werden ins Vereinsheim getragen und ganze Campinganlagen mit spannenden Regenschutzvarianten installiert.
Das alles braucht Bruno Rötzenbrink nicht. Er steht mit seinen wenigen grauen Haaren ungeschützt im strömenden Regen. Sein Anblick erinnert sehr an die Fotos von Sepp Herberger nach dem «Wunder von Bern».
«Männer, kommt mal alle her», ruft er, und keiner der kleinen Jungs fühlt sich da zunächst konkret angesprochen. «Mannschaftsbesprechung», kündigt er an.
Rötzenbrink atmet altersbedingt etwas schwer. Er beauftragt Mirko, den Torwartvater, und mich, eine kleine Schultafel in seinem Rücken emporzuhalten, auf die er mit Kreide taktische Anweisungen anzuschreiben gedenkt.
«Wir haben gleich das erste Gruppenspiel, ihr Buben. Wir … RUHE DAHINTEN !»
Karin und Diana, zwei Mitmütter, zucken zusammen und schweigen ab sofort.
«Meine Damen, wir können zusammen singen, aber nicht zusammen schwätzen, ja? Das können wir nicht. Ist das klar dahinten?»
Karin und Diana nicken stumm.
Heiko und ich nutzen diese kurze Unterbrechung und stellen die Tafel wieder ab, um die Muskulatur unserer Arme ein wenig zu schonen.
«Hoch!», bellt da der Rötzenbrink, und flugs halten wir sie wieder hoch.
«Habt ihr das gesehen, ihr Burschen? Habt ihr das eben gesehen, was eure Väter da eben gemacht haben? Na? Habt ihr das gesehen? Das habt ihr doch bestimmt gesehen, oder? Was da eure Väter eben veranstaltet haben? Oder?»
Der wackere Bruno Rötzenbrink neigt zu Wiederholungen, was ich irrtümlicherweise einmal auf sein fortgeschrittenes Alter schob. Doch unser Jugendwart erklärte mir, das sei früher schon genauso gewesen.
«Habt ihr das eben gesehen?»
Die Jungs, die inzwischen alle in ihre viel zu großen Trikots geschlüpft sind, nicken.
«Genau so, wie es eure Väter da eben gemacht haben, genau so geht es nicht. Schwäche! Das war Schwäche, Schwäche war das! Die wollten ihre Ärmchen schonen, doch so gewinnt man keinen Blumentopf. Schwäche war das. So gewinnen wir kein Spiel. Ihr, ihr Männerbuben, ihr zeigt keine Schwäche heute, klar?»
Wieder schütteln die Jungs ihre Köpfe.
«Nun zur Aufstellung, im Tor wie immer der … äh …»
«Jonas», rufen die Kinder im Chor.
Rötzenbrink schreibt druckvoll den Namen «Jonas» auf die Tafel. Mirko und ich erzeugen mit Mühe den erforderlichen Gegendruck.
«Genau, Jonas! Sag ich ja. Dann in der Abwehrmitte … äh … du da …»
Er zeigt mit dem Finger auf Torben.
«Torben», rufen da die Kinder und freuen sich. Es ist für die kleinen Jungs das Highlight eines jeden Spiels, die Mannschaftsaufstellung gemeinsam hinauszubrüllen, wenn ihr Trainer nach dem richtigen Namen sucht. Da hat er ein
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