Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
das Herrchen des verletzten Bummo, hier zu suchen? Er ist zehn Jahre älter als ich, er kann also nichts mit diesem Abitreffen zu tun haben. Nein, ihn beschäftigt ein anderes Thema, wie schnell deutlich wird.
«Ich war schon bei dir daheim. Deine Tochter hat gesagt, dass du hier bist», keucht er atemlos und aufgebracht in mein Bierglas.
«Bummo ist tot», brüllt er. «Die Drecksau hat ihn umgebracht.»
Ich sortiere meine Gedanken und erinnere mich daran, dass Egons Hund eine im Feld ausgelegte, in Leberwurst versteckte Rasierklinge geschluckt hat. Ich drücke ihm mein Mitgefühl aus.
«Ja, und?», sagt er dann und blickt mich mit aufgerissenen Augen an.
«Wie, was und?»
«Na, was machst du denn jetzt?»
«Jetzt? Ich bin hier auf einer privaten Feier. Wieso?»
«Ich will, dass ihr da
jetzt
was macht. Dass ihr den Killer findet, und zwar schnell!»
Mit «ihr» meint er die Polizei, so viel ist klar.
«Und wenn ich merken sollte, dass ihr da nicht in die Gänge kommt, mein Lieber», flüstert Egon mir nun ins Gesicht und rückt ganz nah an mich heran, «dann nehm ich die Sache mit meinen Leuten selbst in die Hand! Und zwar richtig …»
Danach dreht er sich um und schreitet mit großen wütenden Schritten von dannen, ohne dass ich ihm noch ein klischeehaftes «Mach kein’ Scheiß, Egon» hinterherrufen kann.
Resigniert ausatmend will ich gerade einen nächsten Schluck aus meinem Bierglas nehmen, da fängt die Dings leise an zu weinen.
«Ojeojeojeoje», wimmert sie. «Da war so viel Hass, so viel Wut, so was macht mich fertig.»
Verunsichert streiche ich ihr flüchtig über den Arm und sage, dass dieser Egon das eine oder andere Mal eben etwas aufbrausend sei, aber das sei doch alles halb so schlimm.
«Die machen mir Angst, diese Art Männer», sagt sie und kichert ein «Hihi» hinterher. «Da kommen so alte Bilder in mir hoch.»
«Hmm.»
Von dieses alten Bildern will ich jetzt eigentlich nichts hören. Nicht jetzt und nicht von einer mir fremden Frau, die ich schon vor zwanzig Jahren nicht kannte.
«Was denkst du?», fragt sie dann völlig unvermittelt und trocknet ihre Tränen mit einem Taschentuch.
«Wie, was, was soll ich denn denken?»
«Ich merk doch, dass dich was umtreibt, seit ich das gesagt habe, mit der Angst vor diesen Männern.»
Mich treibt plötzlich etwas ganz anderes um: Weg, ich möchte weg hier.
Aber sie jetzt einfach hier so mir nichts, dir nichts stehenzulassen, das kriege ich dann auch nicht hin. Sie fixiert mich mit ihren flackernden dunklen Augen, macht noch einmal «Hihi» und sagt dann mit deutlich gefestigter Stimme:
«Sorry, dass ich dich jetzt hiermit nerve, mit meinem Geflenne, sorry, ehrlich. Geh du ruhig, ich will dir nicht auch noch die Feier versauen.»
«Neeee, ist schon o.k.»
«Oh, du bist lieb, danke», sagt sie und hält sich nun an meiner Hand fest.
«Weißte, ich bin eher so ’n sensibler Typ. Da kommen die meisten nicht klar mit … Hihi.»
Ein paar Minuten stehen wir stumm herum, ohne dass die Dings meine Hand wieder loslässt. Mir ist das inzwischen auch egal. Im Gegenteil, ich will plötzlich gar nicht mehr, dass sie sie loslässt. Auch ich könnte, wenn ich den Kanal freigäbe, sehr, sehr rührselig werden. Ich muss an meinen Vater denken, will es aber nicht. Ich bin hier, um genau das eben nicht zu tun. Vor allem bin ich hier, um mich zu amüsieren, und nicht, um von weinenden Frauen meine Hand gehalten zu bekommen. Doch vielleicht ist es ja genau das, was ich im Moment brauche: dass mir weinende Frauen die Hand halten. Dass sie sich gut und sicher fühlen an meiner Seite. Dass sie sich an mir festhalten. Vielleicht sind weinende Frauen gerade genau das Richtige für mich. Vielleicht sollte ich mit dieser weinenden Frau hier im Sommerkleid von der Feier verschwinden. Mit ihr zusammen stundenlang trauriges Zeug reden, weinen, dann traurigen Sex haben und wieder weinen.
Vielleicht sollte ich genau das tun.
Stattdessen aber höre ich wie aus dem Nichts eine Stimme:
«Kann man als Sohn nicht mal hergehen und seinen Vater suchen? Ich weiß, du denkst, ich bin tot, aber kann man sich da so sicher sein? Aber bitte, wenn du glaubst, dich besser hier herumzutreiben, nur zu, Henning, nur zu!»
Ich schlucke.
«Schön, dass du nicht so ’n Klotz bist wie all die anderen hier», sagt dann nicht mehr mein Vater, sondern die Dings. «Ich hab das gleich gemerkt, dass du ein Netter bist, hihi. Du warst früher ja auch eher so ein Lieber, ne? Nicht so
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