Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
von Fett und Muskeln. Er wirkt wie eine Mischung aus Boxer, Gewichtheber und Diskuswerfer, und es fällt schwer, sich vorzustellen, dass das Betrachten seiner Gesamterscheinung irgendjemandem Freude bereiten könnte.
«Ja?», fragt er eher unfreundlich als freundlich.
Wir stellen uns vor und bitten ihn, uns in die Wohnung zu lassen und auf unsere Fragen zu antworten.
Wortlos geleitet er uns durch den dunklen Wohnungsflur ins muffig riechende Wohnzimmer. Im Vorbeigehen schließt er die Tür zu einer kleinen Kammer, wodurch es noch dunkler wird.
Markus und ich nehmen auf einem sehr alten durchgesessenen Sofa und reichlich Chipskrümeln Platz. Zwischen uns liegen Kissen mit Bayern-München-Wappen, die ich mit spitzen Fingern zur Seite lege. So viel Zeit muss sein.
«Ich bin halt gern auf der Seite der Sieger», kommentiert unser Gastgeber, dem das nicht entgangen ist, und schenkt uns erstmals so etwas wie ein Lächeln.
Markus’ Frage, ob er seit dessen Entlassung irgendetwas von Maik Fichtenau gehört oder gesehen habe, verneint Jochen Gruber.
«Mein Vater hat euch doch alles erzählt. Was soll ich denn jetzt noch sagen?»
Mir behagt es nicht, von Fremden «geihrzt» zu werden. Ich bin in derartigen Situationen ein großer Freund des formellen Siezens.
«Zum Beispiel, was Sie gegen die Beziehung Ihrer Schwester mit Maik hatten», sagt Markus.
«Ich weiß nicht, ob ihr mitbekommen habt, dass meine Schwester seit über zwanzig Jahren tot ist. Was soll ich also noch dagegen haben?»
Markus schweigt. Kommt noch was von Gruber? Nein.
«Es heißt, Sie hätten Maik Fichtenau früher mehrmals Gewalt zugefügt.»
«Blödsinn! Es gab zwischen uns und den Fichtenaus schon immer Streit. Das wissen Sie doch alles schon von meinem Vater. Also, was wollen Sie noch?»
Ich überlasse Markus weiter das Befragen. Er kann das besser. Beeindruckt nehme ich wahr, dass Gruber bei genauer Beobachtung noch hässlicher ist, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte.
«Was wir wollen, Herr Gruber, ist schlicht und ergreifend, Maik Fichtenau zu fassen. Er wird eines Doppelmordes verdächtigt und steht zusätzlich in dem Verdacht, für das Verschwinden des ehemaligen Polizeipräsidenten verantwortlich zu sein.»
Ungerührt nimmt Jochen Gruber diese Worte zur Kenntnis.
«Tja, warum lasst ihr diesen Wahnsinnigen auch so schnell wieder raus?», sagt er. «Selber schuld!»
«Sie sollten besser nicht so tun, als ob Sie das alles überhaupt nichts anginge», sagt Markus trocken. «Vielleicht gehören Sie mit in sein Rache-Beuteschema.»
Jochen Gruber versucht erneut so etwas wie ein Lächeln. Scheint nicht gerade eines seiner Spezialgebiete zu sein. Er scheitert kläglich.
«Soll er doch kommen, der Hosenscheißer. Soll er doch kommen.»
Wenn ich nicht gleich den Blick von ihm abwende, träume ich heute Nacht schlecht. Ich stehe auf und frage ihn, ob ich einmal die Toilette aufsuchen dürfe.
Doch statt zum Badezimmer gehe ich leise zu der kleinen Kammer, deren Tür Jochen Gruber vorhin so verhuscht schloss.
Der Klassiker, bekannt aus Hunderten von Fernsehkrimis. Der Kommissar schleicht heimlich und unbemerkt in ein geheimes Zimmer, sucht dort irgendetwas, bis irgendwann der Bösewicht hinter ihm steht und den Kommissar mit der Frage «Suchen Sie etwas Bestimmtes?» hochschrecken lässt.
Aber die Wohnzimmertür ist zu, und Markus stellt weitere Fragen, daher hoffe ich sehr stark, dass Gruber nicht mitkriegt, wie ich mich in diese Abstellkammer schleiche. Auf den ersten Blick sehe ich Dinge, wie sie meist in Kammern abgestellt werden. Besen, Staubsauger, Verpackungskartons, Leergut und Klappstühle. Auf den zweiten Blick erkenne ich Spinnen und Mäusescheiße. Auf den dritten Blick finde ich unter Schneeketten im Regal DIN -A 3 -Papierbögen, die mit Fotos beklebt sind. Ich ziehe die Bögen vorsichtig unter den Ketten hervor und verursache damit lautere Geräusche als gewünscht. Das ist ja nun wirklich interessant. In liebevoller Kleinarbeit wurden die Fotos angeordnet. Ich blättere die Bögen durch und stelle fest, sie haben nur ein Motiv: Kirsten Gruber.
Kirsten Gruber am See, Kirsten Gruber in der Küche, Kirsten Gruber im Urlaub, Kirsten Gruber auf dem Fahrrad, Kirsten Gruber im Auto, beim Einkaufen, im Zimmer und im Garten. Kirsten Gruber von vorne, von hinten, von links und von rechts.
Auf einigen Bögen entdecke ich Bilder, auf denen sie anscheinend unbemerkt abgelichtet wurde, auf denen sie beispielsweise nicht in
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