Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
sympathisch und einladend, sodass ich hoffe, auf einen angenehmen auskunftsfreudigen Zeitgenossen zu treffen. Es ist doch beneidenswert, wenn man sich nicht mit Frau Hubschmitts herumschlagen muss, weil man überhaupt keine Nachbarn hat.
«Warnung vor dem Hunde» steht auf einem Schild am Gartentor geschrieben. Als ich die Klingel um kurz vor halb neun betätige, bin ich erleichtert, dass kein martialisches Hundegebell ertönt. Einige Sekunden tut sich gar nichts, ich klingele ein zweites Mal.
Nun sind Schritte zu hören. Andreas Burgholtz öffnet die Tür.
«Guten Abend, Herr Burgholtz, entschuldigen Sie die abendliche Störung, ich bin Hauptkommissar Bröhmann, ich hätte ein paar Fra…»
Burgholtz guckt mich so komisch an, dass ich verstumme. Seine Vokuhilafrisur hat sich in den letzten zwanzig Jahren zu einer Voglahiku gewandelt. Vorne Glatze, hinten kurz.
«Dürfte ich vielleicht kurz hereinkommen?», frage ich und blicke wieder in diese aufgerissenen Augen. Was hat er denn?
Da schreit eine Stimme aus dem Hintergrund.
«Kommen Sie rein, machen Sie die Tür zu, und legen Sie sich auf den Boden, sonst jage ich dem Burgi eine Kugel in den Rücken.»
Ein Mann in meinem Alter steht drei Meter hinter Burgholtz im dunklen Hausflur und hält eine Waffe auf ihn gerichtet. Burgholtz tritt zur Seite. Ich gehe hinein, werfe mich auf den Bauch und frage mich allen Ernstes, was das hier nun schon wieder soll. Schon zum zweiten Mal werde ich an diesem unglückseligen Abend von einer Person gegen meinen Willen befummelt. Diesmal von einem nach Schweiß riechenden Kerl, der mich offenbar nach Waffen abtastet. Auch nicht viel besser.
«Ich habe nichts dabei», ächze ich auf dem Boden liegend.
«Fresse!», schnauzt er und zieht mir mein Handy aus der Hosentasche.
Ich blicke zur Seite und sehe in der Küche einen mittelgroßen Hund in seinem Blut liegen. Mein neuer Freund stupst mir währenddessen mit der Schuhspitze in die Seite, wohl um zu signalisieren, dass ich aufzustehen habe. Er bemerkt dabei, dass ich noch immer zu dem daliegenden Hund blicke, und sagt: «Tja, tote Hunde beißen nicht.»
Vorsichtig richte ich mich auf und hebe die Hände.
«Und wenn du nicht machst, was ich sage, bist du als Nächster dran. Kapiert?»
Ich nicke, denn was gibt es daran auch nicht zu kapieren.
Andreas Burgholtz sieht mitgenommen aus, ungepflegt und unrasiert. Es hat den Anschein, als ob er schon einige Zeit diesen unliebsamen Besucher zu Gast hatte.
«Was wollen Sie denn von mir? Jetzt seien Sie doch bitte vernünftig», schwafle ich gegen die einsetzende Angst an. Noch immer stehe ich mit dem Rücken zu ihm und hatte somit bisher keine Gelegenheit, den Kidnapper aus der Nähe zu sehen.
«Fresse, hier runter», werde ich angeherrscht und gemeinsam mit Burgholtz gezwungen, eine enge Kellertreppe hinabzusteigen.
Viele Keller haben die unschöne Eigenschaft, feucht zu sein. Dieser hier ist sehr feucht. Wir gehen einen kurzen Gang entlang, mitten durch die typischen Sachen, die man gerne nach unten abschiebt, während man sich entweder einredet, an Dingen wie alten Schulheften, Michael-Jackson-Postern oder ausgemusterten Lattenrosten zu hängen, oder tatsächlich meint, den kaputten Diaprojektor und den Kassettenrecorder doch noch einmal gebrauchen zu können. Wenn es für mich überhaupt einen Trost in dieser verfahrenen Situation geben kann, dann den, dass dieser Keller noch schlimmer aussieht als unserer zu Hause. Meine Kicker-Stecktabellen von 1979 – 1994 und den Commodore C 64 habe ich immerhin schon vor längerem weggeschmissen.
Während Herr Kidnapper einen kleinen Kellerraum öffnet, dort Andreas Burgholtz an einem Heizungsrohr mit einer rostigen Kette befestigt und gleichzeitig die Waffe immer wieder auf mich richtet, habe ich zum ersten Mal die Gelegenheit, ihn zu betrachten. Er trägt eine gelbe Basecap, ein blaues langärmeliges verschwitztes T-Shirt und eine ausgebeulte graue Jogginghose, die mich unpassenderweise wieder an Karl Lagerfeld denken lässt. Vom Gesicht kann ich von der Seite nicht viel erkennen. Doch so langsam wird mir klar, mit wem wir es hier zu tun haben, und eine richtige Überraschung ist es natürlich nicht: Maik Fichtenau.
Er schließt die Kellertür ab und führt mich zu einem weiteren kleinen Abstellraum. Er öffnet die Tür, und mit einem Schlag wird dieser Tag, an dem ich mir zunächst Berliner Arroganz in mittelfränkischem Dialekt anhören musste, dann Jochen Gruber erschlagen im
Weitere Kostenlose Bücher