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Tote im Salonwagen

Tote im Salonwagen

Titel: Tote im Salonwagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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Posharskis Stelle«, sagte der Oberleutnant voller Inbrunst, »ich hetzte diesem Grin keine Spione und Provokateure auf den Hals, nein, ich ließe einen Appell in die Zeitung setzen: ›Hören Sie auf, Jagd auf uns zu machen, die Diener Seiner Majestät. Hören Sie auf, uns aus dem Hinterhalt zu beschießen und Bomben zu werfen, von denen unschuldige Menschen sterben. Ich, Fürst Posharski, denke nicht daran, mich vor Ihnen zu verstecken. Wenn Sie,hochverehrter Herr, zu Ihrer Wahrheit stehen und Ihr Leben für das Wohl der Menschheit zu opfern gewillt sind, so lassen Sie uns in einen fairen Zweikampf treten, denn auch ich glaube an die Rechtmäßigkeit dessen, was ich tue, und werde für Rußland mein Leben nicht schonen. Nur so werden wir verhindern, daß weiter russisches Blut vergossen wird. Möge Gott – oder für den Fall, daß Sie Atheist sind – möge das Schicksal entscheiden, wer von uns beiden im Recht ist.‹ Grin würde auf eine solche Bedingung eingehen, dessen bin ich mir sicher.«
    Der Staatsrat war den Erörterungen des jungen Mannes aufmerksam gefolgt. »Und wenn Grin den F-fürsten im Zweikampf tötet? Was dann?« fragte er mit großem Ernst.
    »Was soll dann sein?« Smoljaninow wollte mit dem verletzten Arm abwinken, verzog das Gesicht vor Schmerz. »Wer ist denn in Rußland in der Überzahl: Terroristen oder Befürworter der Ordnung? Sollte Posharski im Zweikampf fallen, so müßte man Grin selbstverständlich ungehindert ziehen lassen, das ist Ehrensache. Doch am nächsten Tag wären Sie es, der ihn herausforderte. Und sollte auch Ihnen das Glück nicht hold sein, so fänden sich andere.« Bei diesen Worten errötete der Offizier. »Und den Revolutionären bliebe kein Ausweg. Die Herausforderung auszuschlagen wäre ganz unmöglich, denn dann hätten sie in den Augen der Gesellschaft schlagartig ihren Ruf als tapfere, selbstlose Männer verspielt. Auf diese Weise würde sich der Terrorismus in Luft auflösen: Die Fanatiker fielen im Duell, und der Rest hätte der Gewalt wohl oder übel abzuschwören.«
    »Interessant. Zum zweiten Mal binnen kurzem bekomme ich eine originelle Idee zur Abschaffung des T-terrorismus zu hören. Und ich könnte nicht sagen, welche mir bessergefällt.« Fandorin stand auf. »Herr Oberleutnant, es war mir ein Vergnügen. Aber jetzt muß ich los. Gleich nachher werde ich dem Fürsten Ihre Idee unterbreiten … Ihnen darf ich es ja sagen«, er sah sich mißtrauisch im leeren Vorzimmer um und senkte die Stimme, »unter dem Siegel der Verschwiegenheit: Heute abend um zehn wird es mit dem Fürsten ein wichtiges Treffen unter vier Augen geben, bei dem wir das weitere Vorgehen planen und beschließen. Im Badehaus Petrossow, Adelsseite.«
    »Wieso denn im Badehaus?« fragte der Oberleutnant und klapperte vor Verwunderung mit den samtenen Wimpern.
    »K-konspirationshalber. Dort gibt es Separées, da ist man ganz unter sich. Wir haben das exlusivste gemietet, Nummer zwo. Den Vorschlag, unseren Gegner über die Zeitung zum Duell zu fordern, werde ich Posharski unbedingt antragen. Aber wie gesagt: über das Treffen zu keinem ein Wort.«
    Von der Gendarmerieverwaltung fuhr Fandorin zur Geheimpolizei. Hier fungierte Titularrat Subzow als Schaltstelle für die diversen Agententrupps.
    Mit ihm trank Fandorin nicht Kaffee, sondern Tee. Man sprach über den seligen Oberstleutnant Burljajew, der grob und hitzig von Natur, doch nichtsdestoweniger ehrlich und der Sache aufrichtig ergeben gewesen war. Man räsonierte über das nach den letzten betrüblichen Vorfällen hoffnungslos ramponierte Ansehen der altehrwürdigen Metropole in den Augen Seiner Majestät.
    »Ich kann nur eines nicht begreifen«, sagte Subzow, bedächtig die Worte setzend. »Der ganze Ermittlungsapparat läuft auf Hochtouren, die Leute schlafen nächtelang nicht, legen sich ins Zeug. Wir beschatten Lobastow, wir beschatten alle unbotmäßigen, sonstwie verdächtigen, halb- und viertelverdächtigenPersonen, perlustrieren eingehende und ausgehende Post, lauschen und spähen, was wir können. Notwendige Routinearbeit, selbstverständlich. Aber was ich vermisse, ist eine klare Linie. Mich in Fragen höherer Taktik einzumischen steht meinem Rang gewiß nicht an, das ist Ihre und des Fürsten Kompetenz, aber hätte ich auch nur eine ungefähre Vorstellung, in welcher Richtung gesucht wird, so könnte ich meinerseits, im Rahmen meiner Möglichkeiten, durchaus einen bescheidenen Beitrag leisten …«
    »Verstehe.« Fandorin

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