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Tote im Salonwagen

Tote im Salonwagen

Titel: Tote im Salonwagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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und eine Träne fiel auf die Hemdbrust des Staatsrats, eine echte Träne, der bald noch eine und noch eine folgten …
    Doch Staatsrat Fandorin dachte nicht daran, den psychologisch günstigen Moment für seine Ermittlungen auszubeuten. Behutsam löste er sich von der weinenden »Mitarbeiterin«, durchquerte das Zimmer und setzte sich nicht wie beim letzten Mal auf den Diwan, sondern in den Sessel neben dem Sekretär. Auf ihm stand eine Schreibmaschine, deren vernickelte Tasten matt schimmerten.
    Diana schien von der Zurückhaltung ihres Gastes nicht brüskiert. Sie kam Fandorin nachgeschlichen, verharrte vor seinem Sessel. Plötzlich knickte die schlanke Silhouette ein: Das exzentrische Geschöpf war vor ihm auf die Knie gefallen, rang flehend die erhobenen Hände.
    »Oh, seien Sie doch nicht so kalt und grausam zu mir!« Verblüffenderweise schmälerte der Flüsterton die dramatische Modulationsfähigkeit ihrer Stimme nicht im geringsten – das Training wirkte sich aus. »Sie können sich nicht vorstellen, was ich durchgemacht habe! Ich bin mutterseelenallein nun, ohne Schutz und ohne Protegé. Gehen Sie nicht weg! Bleiben Sie, leisten Sie mir Gesellschaft! Ich würde mich erkenntlich zeigen. Ich könnte Ihnen nützlich sein, glauben Sie mir! … Ich brauche Trost, ich brauche einen, der mir die Tränen trocknet. Ich spüre die Ruhe, die Kraft, die Selbstgewißheit, die in Ihnen steckt. Nur Sie allein könnten mich wieder zum Leben erwecken. Burljajew und Swertschinski bin ich als Herrin erschienen – ich könnte genausogut Sklavin sein! Ich erfülle Ihnen jeden Wunsch!«
    »Ach, t-t-… tatsächlich?« Fandorin blickte auf die vor ihm kauernde schmale, dunkle Gestalt. »Dann nehmen Sie fürs erste diesen Schleier ab und machen Sie Licht!«
    »Nein, das nicht!« Diana prallte zurück, sprang auf die Füße. »Alles, wirklich alles, was Ihr Herz begehrt. Nur nicht das.«
    Der Staatsrat schwieg und sah beiseite, was schon nicht mehr höflich zu nennen war.
    »Werden Sie bleiben?« hauchte die gewesene Femme fatale, die Hände vor der Brust. Es klang kläglich.
    »Leider nein. Die Pflicht ruft«, sagte Fandorin und erhob sich. »Ich sehe, Sie sind reichlich aufgewühlt. Und für ein längeres Gespräch fehlt mir momentan die Muße.«
    »Dann kommen Sie doch heute abend wieder«, lockte ihre raunende Stimme. »Ich werde auf Sie warten.«
    »Heute abend habe ich auch keine Zeit«, eröffnete er ihr. »Und ich sage Ihnen auch, warum, damit Sie meine Abfuhr nicht als Kränkung mißverstehen. Ich habe bereits eine Verabredung. Ganz anderer Art – weit weniger romantisch.« Sein Ton war vertraulich geworden. »Um zehn Uhr treffe ich mich mit Fürst Posharski, Vizedirektor des Polizeidepartements. Und zwar im Badehaus Petrossow, stellen Sie sich vor. Kurios, nicht wahr? Dort ist Vertraulichkeit garantiert, die Bedingungen für ein Tete-à-tete sind optimal. Ein Zugeständnis an die K-konspiration … Immerhin haben wir das exklusivste von allen Separées im Adelsbereich für uns reserviert, Nummer eins. Da können Sie sehen, meine Dame, unter welch exotischen Bedingungen Untersuchungsführer heutzutage ihre Arbeit leisten.«
    »Dann nehmen Sie fürs erste wenigstens dies ….«
    Sie tat einen schnellen Schritt nach vorn, lüftete denSchleier ein klein wenig, und schon spürte er, wie ihre feuchten Lippen seine Wangen streiften.
    Von der Berührung zuckte Fandorin zusammen, blickte die »Mitarbeiterin« einigermaßen entgeistert an, bevor er mit einer knappen Verbeugung den Raum verließ.
     
    Im weiteren verhielt sich der Staatsrat noch wunderlicher.
    Vom Arbat fuhr er zur Gendarmerieverwaltung, obwohl er dort augenscheinlich nichts zu verrichten hatte. Trank Kaffee mit Smoljaninow, der inzwischen endgültig zur personifizierten Telefonzentrale geworden war, denn die Situation in dem großen Haus an der Nikitskaja war mehr als heikel: Alle Dienste und Abteilungen leisteten Schwerarbeit, eine Befehlsgewalt war jedoch faktisch nicht vorhanden. Den amtierenden Chef, Fürst Posharski, hielt es nicht an seinem Platz; wenn er auftauchte, dann immer nur kurz, um die Berichte seines Adjutanten anzuhören und Anordnungen zu hinterlassen, bevor er mit unbekanntem Ziel wieder verschwand.
    Beim Kaffeetrinken gedachten sie des seligen Oberst Swertschinski, die Armverletzung des Adjutanten wurde besprochen, die Dreistigkeit der Terroristen. Smoljaninow vertrat die Ansicht, man müsse Ritterlichkeit beweisen.
    »Wäre ich an Herrn

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