Tote im Salonwagen
wenn sie in Ihnen einen neuen Beschützer suchte? Sie werden rot, ich sehe, sie hat es nicht unversucht gelassen. Und ich werde nicht sovermessen sein, mir einzubilden, sie wäre meinen Reizen erlegen. Sie haben die arme Frau mit Nichtachtung gestraft, und das habe ich vermieden! Wofür sie mich reichlich entschädigt hat. Damen, mein lieber Fandorin, sind unendlich kompliziert – und zugleich viel einfacher, als wir glauben.«
»Also war es doch Diana, die geplaudert hat?« fragte Fandorin wie vor den Kopf geschlagen. »Das kann nicht sein!«
»Aber ja doch. Psychologisch ist das sehr leicht zu erklären, besonders jetzt, da die näheren Umstände erforscht sind. Sie hielt sich für eine Art Circe, die die Männer wie Puppen tanzen läßt. Ihrem Selbstgefühl hat es sehr geschmeichelt, wenn sie die Geschicke gefürchteter Organisationen und womöglich des ganzen Imperiums in der Hand zu haben glaubte. Ich vermute, das bereitete ihr nicht weniger erotischen Genuß als die damit verbundenen amourösen Abenteuer. Oder besser gesagt, das eine ergänzte das andere.«
»Und wie konnten Sie sie zum G-g-… Geständnis bewegen?« Fandorin wollte es immer noch nicht fassen.
»Ich sage doch, Frauen sind bei weitem einfacher gestrickt, als die Herren Turgenjew und Dostojewski uns glauben machen. Verzeihen Sie, wenn ich mich gar zu eitel in die Brust werfe, aber in Liebesdingen bin ich nicht Flügeladjutant, sondern mindestens Feldmarschall. Ich weiß, wie man einer Frau den Kopf verdreht, erst recht wenn sie selbst auf sinnliches Vergnügen aus ist. Zuerst habe ich alle meine Talente darauf verwandt, Mademoiselle in ein dahinschmelzendes Parfait zu verwandeln, und bin dann plötzlich in ein anderes Register gesprungen, von zuckersüß nach knallhart. Habe ihr die Tatsachen vor Augen gehalten und sie ein bißchen ins Bockshorn gejagt. Am wirkungsvollsten aber war das einfache Sonnenlicht. Ich habe die Vorhänge zurückgezogen, undplötzlich war sie – wie ein Vampir – von allen Zauberkräften verlassen.«
»Sie haben w-was? Wie konnten Sie? Sie haben ihr Gesicht gesehen? Und wer ist sie wirklich?«
»Oho, das dürfte Sie in der Tat interessieren!« rief der Fürst, und seltsamerweise lachte er dabei. »Denn dann werden Sie sehen, wo der Hund begraben liegt … Aber darüber später. Es hat sich jedenfalls bestätigt, daß Diana von Burljajew und Swertschinski geheime Informationen bekam und sie an die Terroristen der KG weiterleitete, allerdings nicht im direkten Kontakt, sondern per Brief. Sie pflegte mit den Initialen T. G. zu unterzeichnen – dahinter steckte: La Terpsichore Grandeuse. Ein eigenwilliger Humor, finden Sie nicht?… Warum ihr das Geständnis so leicht von den Lippen ging, ist mir allerdings erst nachher klargeworden«, fuhr Posharski seufzend fort. »Sie wußte von unserem geplanten Treffen im Badehaus und war sich sicher, daß weder Sie noch ich dort lebend herauskommen. Angst und Reue spielte sie nur, damit ich von einer Verhaftung absah. Außerdem rechnete sie damit, daß ich ihre Dienste in Anspruch nehmen würde, um der Terroristen habhaft zu werden. Und damit lag sie richtig. Sie ist klug, die Bestie, man kann es ihr nicht absprechen. Wahrscheinlich lachte sie insgeheim über meine Siegesgewißheit.«
»Dann wußte Sie also von Ihnen, daß wir in Kabine sechs verabredet waren?« fragte Fandorin, und sein Gesicht hellte sich auf.
»Nein, das ist der springende Punkt. Von mir nicht. Aber sie
muß
es gewußt haben, daran gibt es keinen Zweifel. Als ich letzte Nacht voller Rachegelüste ein zweites Mal bei ihr aufkreuzte, guckte sie mich an, als wäre ich der auferstandeneLazarus. Da war mir klar: Das Luder hat es gewußt! Und diesmal habe ich vorgebaut und einen meiner Männer auf sie angesetzt. Einer hielt hier bei Ihnen Wache, der andere hat auf Diana ein Auge … Bleibt die Frage, woher sie von Kabine sechs gewußt haben kann?« griff Posharski den wunden Punkt wieder auf. »Sie haben wirklich nirgends etwas verlauten lassen? Weder bei der Geheimpolizei noch bei der Gendarmerie? Denn bestimmt hat sie außer Burljajew und Swertschinski noch mehr Eisen im Feuer.«
»Nein, weder bei der Geheimpolizei noch bei der Gendarmerie habe ich von Kabine sechs etwas verlauten lassen«, sagte Fandorin, sorgfältig die Worte wählend.
Der Fürst hielt den Kopf schief. Mit seinen strohblonden Locken und den kohlschwarzen Augen sah er jetzt aus wie ein gelehriger Pudel.
»Na schön. Zu meinem Plan. In dem
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