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Tote im Salonwagen

Tote im Salonwagen

Titel: Tote im Salonwagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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das Äußere des Mannes wenig Anhaltspunkte bot: flache Gesichtszüge, brave Frisur, gewöhnliches graues Jackett.
    Ich muß ihn fragen, wo ich bin, warum ich hier liege und wie spät es ist! dachte Fandorin, aber er kam nicht dazu: Der Herr im grauen Jackett stand auf und ging schnell zur Tür hinaus.
    Also mußte er die Antworten selbst finden.
    Er fing beim Wichtigsten an: Wieso lag er im Bett?
    War er verletzt? Oder krank?
    Fandorin rührte Arme und Beine, horchte in sich hinein, konnte nichts Beunruhigendes entdecken – abgesehen von einer gewissen Schwere in den Gliedern, wie nach einer anstrengenden körperlichen Arbeit oder einer Contusio.
    Und dies war der Moment, wo ihm alles wieder einfiel: das Badehaus, der Sprung vom Dach, der Schutzmann.
    Wahrscheinlich hatte sein Bewußtsein vorübergehend abgeschaltet, und er war in Tiefschlaf gefallen, weil Geist und Körperhülle ihn brauchten, um sich von der Erschütterung zu regenerieren.
    Wobei der Schlaf kaum länger als ein paar Stunden gedauert haben konnte. Die brennende Lampe und die Vorhänge vor den Fenstern sprachen dafür, daß die Nacht noch nicht vorüber war.
    Blieb zu klären, wohin sie den nackten Mann verfrachtet hatten, der da mitten auf verschneiter Straße einfach umgekippt war.
    Es sah nach einem Schlafzimmer aus, allerdings nicht in einem Privathaus, eher in einem guten Hotel. Letzteres schlußfolgerte Fandorin aus dem Monogramm, das Karaffe, Glas und Aschenbecher auf dem exquisiten Nachttisch zierte.
    Fandorin griff nach dem Glas, um das Monogramm besser zu sehen. Es war ein L mit einer Krone obenauf. Das Signet des Hotels »Loskutnaja«.
    Nun war alles klar. Er lag in Posharskis Hotelzimmer.
    Womit auch die Identität des unauffälligen Herrn geklärt war – es handelte sich um einen der »Schutzengel«, die neulich hinter Posharski herspaziert waren.
    Hieraus nun ergab sich eine neue Frage: Was war mit dem Fürsten? Lebte er?
    Die Antwort ließ nicht auf sich warten. Denn nun ging die Tür auf, und der Vizedirektor höchstselbst kam ins Zimmer gesprungen, putzmunter, wie es schien, ohne jeden Kratzer.
    »Na endlich!« rief er sichtlich erfreut. »Der Doktor versicherte zwar, Sie hätten keinerlei Schäden davongetragen, der Tiefschlaf wäre nur eine Folge der Nervenanspannung. Er hat geweissagt, daß Sie bald aufwachen würden, aber Siehaben sich ordentlich Zeit gelassen. Und Sie zu wecken war ganz unmöglich! Ich fürchtete schon, Sie gedächten sich in ein schlafendes Dornröschen zu verwandeln und meinen schönen Plan zunichte zu machen. Einen ganzen Tag durchzuschlafen, das ist doch allerhand! Hätte nicht gedacht, daß Sie so zartbesaitet sind!«
    Es war also schon eine Nacht weiter. Geist und Körper hatten einen kompletten Tag Auszeit genommen.
    »Ich hätte ein paar Fragen«, krächzte Fandorin beinahe stimmlos, räusperte sich und wiederholte, etwas heiser zwar, aber durchaus verständlich: »Ich hätte ein paar Fragen. K-kurz bevor wir unterbrochen wurden, hatten Sie gesagt, Sie seien der Kampfgruppe auf die Spur gekommen. Wie das? Punkt eins. Was haben Sie unternommen, während ich geschlafen habe? Punkt zwei. Welchen Plan meinen Sie? Punkt drei. Und wie sind Sie denen entkommen? Punkt vier.«
    »Entkommen bin ich auf einigermaßen originelle Art, die ich im Rapport an Seine Majestät zu verschweigen vorzog. Übrigens!« Posharski hob bedeutungsvoll den Finger. »Unser beider Status hat sich entscheidend geändert. Nach dem gestrigen Attentat haben wir nun nicht mehr den Minister, sondern gleich die Kanzlei Seiner kaiserlichen Majestät über den Fortgang der Ermittlungen zu unterrichten. Aber na ja, wem erzähle ich das! Sie sind ein Mann mit Abstand zum Petersburger Olymp, jedenfalls bis dato. Sie können den Sinn dieser Veränderung gar nicht ermessen.«
    »Das glaube ich Ihnen aufs Wort. Also, wie haben Sie es angestellt? Sie waren genauso nackt und ohne Waffen wie ich. Gerannt sind Sie nach rechts, Richtung Hauptausgang, aber den konnten sie schwerlich erreichen, ohne daß Ihnen die T-t-… Terroristen ein Loch in den Rücken geschossen hätten.«
    »Logisch. Deswegen bin ich auch nicht zum Hauptausgang gerannt, sondern in der Damenabteilung untergetaucht. Wo es mir tatsächlich gelang, ungeschoren durch die Garderobe und den Waschraum zu kommen, obwohl ich in meinem schamlosen Aufzug einen handfesten Skandal ausgelöst habe. Aber den besser gekleideten Herren, die hinter mir her waren, ist es übler ergangen. Über sie

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