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Tote im Salonwagen

Tote im Salonwagen

Titel: Tote im Salonwagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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die Warschauer Parteifiliale ausgehoben und kürzlich in Kronstadt eine anarchistische Matrosenvereinigung einkassiert, die die Jacht des Zaren in die Luft sprengen wollte. Zum Lohn bekam er einen hohen Posten im Polizeidepartement und das Monogramm eines Flügeladjutanten auf die Epauletten – für die Rettung der kaiserlichen Familie.
    Auf dem Zettel stand folgendes:
     
    Mit den Ermittlungen im Fall KG ist Fürst Posharski, neuer Vizedirektor für politische Angelegenheiten im Polizeidepartement, beauftragt. Ein gefährlicher Gegner, der Ihnen viel Scherereien bereiten dürfte. Am Mittwoch abend zwischen neun und zehn hat er ein Treffen mit einem wichtigen Agenten auf der Apothekerinsel, Nähe Landhaus Kerbel-Gesellschaft. Eine günstige Gelegenheit, die man sich nicht entgehen lassen sollte. T.G.
     
    Sie entging ihnen jedoch, diese äußerst günstige Gelegenheit. Posharski bewies eine geradezu gespenstische Reaktionsschnelligkeit: Er schoß zurück und war im nächsten Momentin der Dunkelheit abgetaucht. Sein Begleiter war weniger geschickt, Rachmet jagte dem Flüchtenden eine Kugel in den Rücken.
    Trotzdem war die Aktion nicht umsonst und sorgte für Wirbel, denn in dem Toten erkannte Grin den ZK-Mann Stassow, der einst auf der legendären Festung Schlüsselburg eingesessen hatte und eben erst illegal aus der Schweiz eingereist war. Allerhand, über was für Informanten die Polizei verfügte!
    Und schließlich die vierte, bislang letzte Botschaft von T. G., die wertvollste von allen, die gestern morgen aufgetaucht war. Das Haus war gut geheizt gewesen, weshalb die Luke im Oberfenster zum Lüften über Nacht offengestanden hatte. Am Morgen fand Jemelja auf dem Fußboden ein um einen Stein gewickeltes Stück Papier, las, was darauf stand, und lief Grin wecken.
     
    Nun ist Chrapow an der Reihe. Er reist heute mit dem Elf-Uhr-Kurierzug im Ministerwagen nach Sibirien. Folgendes war zu ermitteln: In Moskau legt Chrapow einen Zwischenstopp ein. Für seine Sicherheit daselbst zeichnet Staatsrat Fandorin verantwortlich, Sonderbeauftragter des Fürsten Dolgorukoi. Erscheinungsbild: 35 Jahre, groß, hager, dunkelhaarig, schmales Oberlippenbärtchen, graue Schläfen. Stottert. In Petersburg und Moskau sind außerordentliche Sicherheitsmaßnahmen vorgesehen. Der Zugriff wird nur unterwegs möglich sein. Lassen Sie sich etwas einfallen. Im Wagen sind vier Agenten und eine wechselnde Gendarmenwache auf beiden Plattformen zu erwarten (vordere Plattform separat, ohne Verbindung zum Salon). Chef der Wachmannschaft: Stabsrottmeister von Seydlitz, 32 Jahre, groß, kräftig, auffällig blond. Chrapows Adjutant: Oberstleutnant Modsalewski, 39 Jahre, mittelgroß, füllig, dunkelblond, kurze Koteletten. T.G.
     
    Grin schmiedete einen zwar kühnen, doch praktikablen Plan, traf die nötigen Vorbereitungen, und die Gruppe trat die Fahrt mit dem Drei-Uhr-Personenzug nach Klin an.
    Einmal mehr stimmten die Angaben des T. G. bis ins Kleinste. Alles lief wie am Schnürchen. Einen solch grandiosen Sieg hatte die Kampfgruppe nie zuvor errungen.
    Man hätte nun eigentlich ein wenig lockerlassen, den Stolz auf eine tadellos ausgeführte Aktion auskosten können: Das Streichholz war noch nicht abgebrannt, die Flamme hielt sich, während der von ihr entfachte Brand um sich griff!
    Sich dem Hochgefühl hinzugeben, verhinderte jedoch eine Kleinigkeit. Ein dunkler Punkt. Dunkle Punkte konnte Grin nicht ausstehen. Denn wo einer war, dort gab es Unwägbarkeiten, und die waren gefährlich.
    Er mußte herausbekommen, wer dieser T.G. war. Was er im Schilde führte.
    Vorläufig ließ sich nur eine Version denken.
    Einer ihrer Helfer, wenn nicht gar ein Mitglied der Kampfgruppe, hatte seinen Mann bei der Geheimpolizei sitzen, bekam von ihm diskrete Informationen und leitete sie anonym an Grin weiter. Warum er es nicht offen tat, war klar: der Konspiration halber, um den Kreis der Eingeweihten nicht unnötig zu erweitern (Grin hatte es stets genauso gehalten). Oder um seinen Informanten zu decken, bei dem er im Wort stand – auch derlei Fälle kamen vor.
    Wenn es nicht doch ein Köder war.
    Aber nein, ganz ausgeschlossen. Die Wunden, die die Gruppe mit Hilfe dieses T. G. der Staatsmaschinerie schon zugefügt hatte, waren zu einschneidend. Eine Provokation auf solchem Niveau ließ sich durch keinerlei taktische Erwägungen rechtfertigen. Und vor allem war ihnen in all den Monaten kein einziges Mal jemand auf den Fersen gewesen. Das wußte Grin, dafür

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