Tote im Salonwagen
nicht ein schöner Anblick? Macht nichts. Falls ich am Leben bleibe, laß ich mir Goldzähne machen. Oder welche aus Stahl. Dann bin ich ein stählerner Mann wie du … Jedenfalls haben sie sich mit mir abgeplagt, bis sie es leid waren und mich über Nacht in eine Zelle sperrten. Die gibt es dort anscheinend für solche Fälle. Nicht mal übel, mit Matratze und Gardinen. Nur daß die Hunde dich anketten, mit den Händen hinterm Rücken, so tust du kaum ein Auge zu.
Heute morgen haben sie mich erst mal in Ruhe gelassen. Das Frühstück hat mir der Wärter löffelweise verfüttert, als wär ich sein Feinsliebchen. Aber dann, anstelle des Mittagessens, haben sie mich wieder nach oben geschleppt. UndSchreck, laß nach: wen seh ich da? Einen alten Bekannten, Oberst Posharski. Der mir auf der Apothekerinsel das Loch in die Mütze geschossen hat. Extra aus Petersburg angereist, um mich zu sehen.
Erst dachte ich, der erkennt mich sowieso nicht. Auf der Apothekerinsel war es doch dunkel. Aber er, kaum daß er mich gesehen hat, grinst übers ganze Gesicht. ›Ah! Herr Selesnjow, der furchtlose Terrorist!‹ Aufgrund der Personenbeschreibung ist er auf meine alte Akte gestoßen, die Sache mit von Bock damals.
Gleich geht es wieder los, und er droht mit dem Galgen wie gestern Burljajew, hab ich gedacht. Aber nein, der stellte es geschickter an. ›Selesnjow, Sie schickt uns der Himmel!‹ spricht er. ›Der Minister macht uns nämlich die Hölle heiß, dem Direktor und mir, wegen General Chrapow. Ihn selber trifft es ja noch viel ärger: Seine Majestät droht ihn aus dem Amt zu schmeißen, wenn die Täter nicht unverzüglich gefunden werden. Und wer soll sie finden – der Minister etwa? Nein, Posharski natürlich, sein ergebener Diener. Bis jetzt wußte ich nicht, wo anfangen. Und da fallen Sie uns in die ausgestreckten Hände. Ich könnte Sie küssen.‹ Keine schlechte Nummer, was? Es kam noch schärfer. ›Ich hab schon ein Artikelchen für die Zeitung vorbereitet‹, spricht er. ›
Kampfgruppe vor dem Ende!
soll die Überschrift heißen. Unterzeile:
Ein Triumph unserer vorzüglichen Staatspolizei
. Und weiter im Text:
Gefaßt wurde der hochgefährliche Terrorist N. S., aus dessen umfänglichen, freimütigen Aussagen zweifelsfrei hervorgeht, daß er der berüchtigten Kampfgruppe angehört, die vor kurzem den heimtückischen Mord an Generaladjutant Chrapow begangen hat
.‹ Hier muß ich zugeben, Grin, daß ich einen dummen Fehler gemacht habe. Zu Larionow, vor demAbdrücken, hab ich gesagt: ›Einen schönen Gruß von der Kampfgruppe, Verräter!‹ Ich konnte doch nicht ahnen, daß Fandorin hinter der Tür hockt und lauscht …
Gut. Ich sitze also da und höre mir an, was Posharski erzählt. Ich weiß genau, daß er nur auf den Busch klopft. Nach dem Motto: Wenn du schon keine Angst vor dem Galgen hast, dann vielleicht vor der Blamage. Na warte, denk ich, du Füchslein von Gendarm. Kann sein, du bist schlau, aber ich bin schlauer. Ich biß mir auf die Lippe, zuckte mit den Brauen, tat so, als würde ich nervös. Das gefiel ihm, und er machte weiter damit. ›Ach, wissen Sie was, Herr Selesnjow, zur Feier des Tages werden wir davon absehen, Sie aufzuknüpfen. Vergessen wir Larionow, Friede seiner Asche. Der Mann war ein Stück Dreck, wenn Sie mich fragen, ganz im Vertrauen. Für von Bock müssen wir Ihnen natürlich ein bißchen Zwangsarbeit verschreiben, das läßt sich nicht umgehen. Aber dort werden Sie ganz prächtig Ihre Ruhe haben, denn alle Gesinnungsgenossen werden sich von einem Verräter wie Ihnen abwenden … Ha, Sie werden von selber in die Schlinge steigen, das prophezeie ich Ihnen.‹ An der Stelle bin ich hysterisch geworden, hab ein bißchen rumgebrüllt, so mit Schaum vorm Mund, das bring ich ganz gut. Und anschließend hab ich den Geknickten gespielt. Posharski hat noch ein bißchen abgewartet und mir dann seinen Köder vorgeschmissen. ›Einen Ausweg gäbe es noch‹, hat er gemeint. ›Sie verraten uns Ihre Genossen aus der KG und bekommen dafür einen Paß auf beliebigen Namen. Dann steht die Welt Ihnen offen: Europa, Amerika, von mir aus Madagaskar.‹ Ich hab mich ein bißchen geziert und den Köder geschluckt.
Paß auf: Ich hab ein Papier unterschrieben, auf dem ichmich zur Mitarbeit bereit erkläre. Das sag ich gleich, damit es mir hinterher keiner anhängt. Aber das ist bloß ein Wisch. Schlimmer ist, daß ich ihnen sagen mußte, wer zur Gruppe gehört. Mit Decknamen und äußeren Kennzeichen.
Weitere Kostenlose Bücher