Tote im Salonwagen
Burljajew noch abzuwarten befohlen. Sollte Grin nicht auftauchen, ist die Operation für Mitternacht anberaumt. Der Herr Oberstleutnant wollte schon früher losschlagen, doch Mylnikow hat ihn überredet zu warten – könnte ja sein, daß noch ein weiterer Fisch ins Netz geht.«
»Mann, das ist ja schauderhaft!« rief der Fürst. »Nein, so was von blöd! Agent Sapryko hat seine Sache gut gemacht, aber euer Burljajew ist einfach ein Idiot! Die Beobachtung muß weitergeführt werden! Was, wenn sie das Geld ganz woanders gebunkert haben? Und wenn Grin dort überhaupt nicht mehr auftaucht? Die Operation muß auf jeden Fall abgeblasen werden!«
Subzow stimmte ihm hastig zu.
»Exakt, Euer … Herr Posharski. Das sehe ich ganz genauso! Darum bin ich hergekommen, in Überschreitung meiner Befugnisse. Oberstleutnant Burljajew ist ein resoluter Mann, aber manchmal zu stürmisch, wie die Axt imWalde! Hier darf man nicht vorschnell handeln, hier braucht es Feingefühl. Seine Befürchtung ist, daß Sie ihm alle Lorbeeren wegschnappen, er will vor den Petersburgern glänzen, das kann man ja verstehen, aber sein Ehrgeiz bringt die ganze Sache in Gefahr! Deshalb setze ich all meine Hoffnungen in Sie.«
»Smoljaninow, ich brauche eine Verbindung zur Geheimpolizei!« befahl Posharski und erhob sich. »Oder nein, lassen Sie. Das ist nichts fürs Telefon. Fandorin, Subzow, kommen Sie, wir fahren hin!«
Der amtseigene Schlitten, der vor dem Portal bereitstand, zog so heftig an, daß eine Schneewolke aufstob. Als Fandorin sich umblickte, sah er vom gegenüberliegenden Bordstein einen weiteren Schlitten einfacherer Bauart starten. In ihm zwei Männer mit gleichen Pelzmützen.
»Nur nicht nervös werden, Fandorin!« Der Fürst lachte. »Das sind keine Terroristen, ganz im Gegenteil. Meine Schutzengel! Achten Sie nicht auf die. Ich habe mich schon an sie gewöhnt. Mein Chef hat darauf bestanden – nachdem die Herren von der KG mir auf der Apothekerinsel beinahe ein Loch in den Mantel geschossen hätten.«
Vizedirektor Posharski stieß die Tür zu Burljajews Kabinett auf.
»Oberstleutnant, hiermit entbinde ich Sie bis auf weitere Verfügung des Ministers von Ihrem Amt«, verkündete er noch von der Schwelle. »Zum provisorischen Leiter der Behörde ernenne ich Titularrat Subzow.«
Im Moment der Überrumpelung standen Burljajew und Mylnikow über den Tisch gebeugt, auf dem irgendein Plan ausgebreitet war.
Auf Posharskis resoluten Vorstoß reagierten die beiden unterschiedlich: Mylnikow retirierte in ein paar kleinen, katzenhaften Schritten zur Wand, Burljajew hingegen rührte sich nicht von der Stelle, senkte nur etwas den Kopf – wie Stiere es tun.
»Dafür ist Ihr Arm zu kurz, Herr Oberst«, fauchte er. »Wenn ich mich nicht irre, sind Sie zum amtierenden Leiter der Gendarmerieverwaltung bestellt? Amtieren Sie. Ich für mein Teil unterstehe nicht der Gendarmerieverwaltung.«
»Sie unterstehen mir als leitendem Beamten des Polizeidepartements«, gemahnte ihn der Fürst mit leiser, unheildrohender Stimme.
Burljajews Glupschaugen funkelten.
»Wie ich sehe, hat sich ein Judas in meinem Haus gefunden.« Sein Zeigefinger stieß in Subzows Richtung, der bleich auf der Schwelle verharrte. »Aber auf meine Kosten, Freundchen, machen Sie bestimmt keine Karriere. Sie haben auf das falsche Pferd gesetzt. Hier!« Er zog ein Blatt Papier aus der Tasche und wedelte triumphierend damit herum. »Vor vierzig Minuten eingetroffen. Depesche vom Minister persönlich. Ich hatte ihm die Situation geschildert und um Zustimmung für meinen Operativplan zur Inhaftnahme der terroristischen Kampfgruppe gebeten. Hier können Sie lesen, was Hohe Exzellenz schreibt:
An den Kommandeur des Sondergendarmeriekorps Oberstleutnant Burljajew. Hervorragend. Handeln Sie nach eigenem Ermessen. Die Schurken tot oder lebendig ergreifen. Gott sei mit Ihnen. Chitrowo, Innenminister.
Bedaure, Euer Erlaucht, dieses Mal werden wir handeln, ohne Sie zu fragen. Sie mit Ihren Psychologien haben sich ja schon einmal hervorgetan, als uns dieser Rachmet abserviert wurde.«
»Aber wenn wir mit dem Kopf durch die Wand gehen, Oberstleutnant, dann kriegen wir sie höchstens tot und niemals lebendig«, tat Mylnikow, der bis hierhin geschwiegen hatte, plötzlich seine Meinung kund. »Diese Leute sind zu allem entschlossen und wehren sich bis zuletzt. Wir hätten aber mehr davon, wenn wir sie lebend in die Hand bekämen. Und um die eigenen Leute, die dabei draufgehen, ist es
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