Tote Kehren Nicht Zurück
Welt und den Lebensstil der Penhallows studierte. Wer kann ihm schon einen Vorwurf daraus machen?, dachte Meredith mitfühlend. Das Leben hinter den Fenstern von Tudor Lodge war etwas, das er höchstens aus den gehobenen Soap Operas im Fernsehen kannte. Natürlich war es auch möglich, dass sein Spionieren nicht ganz so unschuldig gewesen war, wie er Meredith glauben machen wollte. In einem so großen Haus gab es jede Menge stehlenswerter Dinge, doch wie Mrs Crouch zuvor fragte sich auch Meredith, wo und wie Sammy seltene Wertgegenstände zu Geld machen wollte. Sie beugte sich vor.
»Hör zu, Sammy, das ist jetzt wichtig. Sag nicht einfach nein, wenn du da gewesen bist, dafür ist es viel zu wichtig. Warst du in der Nacht im Garten von Tudor Lodge, als Mr Penhallow starb?« Sie sah, dass er im Begriff war aufzuspringen und zu flüchten, deshalb fügte Meredith hastig hinzu:
»Ich weiß, dass du nichts mit seinem Tod zu tun hast, Sammy, aber warst du dort?« Sammy schwieg mehrere Minuten. Dann begann er vorsichtig:
»Ich habe nie versucht, in Ihre Küche einzusteigen, und ich hab auch nicht die Geldbörse von der alten Frau geklaut, richtig?«
»Wenn du es sagst, Sammy.«
»Dann war ich dort. Aber ich hab keinen Mord gesehen.« Sammy klang fast bedauernd. Ein Hundeschädel war sicherlich eine schicke Trophäe, aber einen richtigen Mord zu beobachten wäre ein seltener Coup gewesen. War es das Fernsehen, oder waren es hässliche Videos, die Sammys Sensibilität verstümmelt hatten, oder ließ ihn der Tod einfach kalt? Lebte er in der alten Tradition der Landbewohner, dass die Natur kein Erbarmen kannte? Meredith wusste es nicht.
»Was hast du gesehen?«, fragte sie.
»Überhaupt nichts. Ich hatte keine Chance, etwas zu sehen, weil er da war.« Merediths Nackenhaare richteten sich auf.
»Wer war da, Sammy?«
»Er natürlich.« Sammy deutete auf die ausgebrannte Ruine des Bungalows.
»Der alte Harry. Er schnüffelte im Garten rum, und ich wäre fast in ihn reingerannt. Er muss über die Mauer geklettert sein wie ich. Es war dunkel, und zuerst hab ich ihn nicht mal gesehen. Dann war ich fast in ihn gerannt. Aber er hat mich nicht bemerkt. Er war zu beschäftigt damit, dieses Mädchen zu beobachten.« Sammy stocherte in der Rinde des Baums und fand einen Käfer darunter. Er hob ihn vorsichtig auf und balancierte ihn auf der Handfläche. Bitte, flehte Meredith. Bitte, lieber Gott, gib, dass er weiterredet. Gib, dass er sich nicht in Schweigen hüllt. Die Gefahr bestand durchaus. Sammy Joss wurde sichtlich nervös.
»Was hat das Mädchen gemacht, Sammy?«, fragte sie.
»Hast du es gekannt?«
»Damals nicht, nein. Aber hinterher. Sie war in der Gemeindehalle. Sie war bei den Penhallows. Ich hab gehört, wie sie ›Kate‹ zu ihr gesagt haben.« Sammy runzelte die Stirn.
»Kam mir eigenartig vor. Wenn sie die Penhallows kannte, warum stand sie dann am Fenster und hat sie heimlich beobachtet? Warum hat sie das getan?« Er hielt Meredith den Käfer hin, damit sie ihn in Augenschein nehmen konnte. Es war ein grauenhaftes Ding, und als Sammy es mit dem Finger schubste, hob es drohend den Hinterleib wie ein winziger Skorpion.
»Das ist ein Teufelskutschenpferd, sagt meine Oma. Guter Name, wie? Haben Sie ’ne Streichholzschachtel?« Als Meredith den Kopf schüttelte, setzte Sammy den Käfer zurück auf die Borke, und er krabbelte hastig davon.
»Als du das Mädchen gesehen hast, Sammy, hat es durch das Fenster ins Haus gespäht?«
»Ja. In die Küche. Hat jemanden drinnen beobachtet. Und der alte Harry hat das Mädchen beobachtet.«
»Und dann?« Meredith hielt den Atem an. Die Enttäuschung folgte auf den Fuß.
»Ich hab mich verpisst. Ich wollte nicht, dass der alte Harry mich erwischt. Er mag mich nicht. Er ist ein elender alter Mistkerl, der alte Harry. Er meint, ich würde ständig bei seiner Tankstelle rumhängen und nur darauf warten, dass ich was klauen kann. Deswegen bin ich wieder über die Mauer und aus dem Garten, als ich ihn gesehen hab. Mehr weiß ich nicht.« Er starrte Meredith mit unverhohlener Neugier an.
»Hey, glauben Sie, das Mädchen hat es getan?«
»Niemand weiß, wer Mr Penhallow ermordet hat, Sammy«, antwortete Meredith.
»Ich schätze, sie war’s«, sagte Sammy.
»Sie ist wahnsinnig jähzornig, wissen Sie? Sie ist auf meinen Dad losgegangen, in der Gemeindehalle, nur weil er sich einen Stumpen anstecken wollte. Mein Dad sagt, der Mann tut ihm jetzt schon
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