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Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition)

Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition)

Titel: Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Flipo
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betrogen, aber ich war die Frau des Königs. Die Politik der Reduzierung des Lohnaufkommens, das Kosten-/Nutzenverhältnis der Posten, der Ersatz von Saisonarbeitern durch unbezahlte Praktikanten– das alles habe ich auf den Weg gebracht. Das war mein erster Job, ich habe als Leiterin angefangen, ich wollte dem Hauptsitz zeigen, was ich kann. Und King hat applaudiert.«
    » Haben Sie an Scheidung gedacht?«, fragte Willy unbefangen.
    Königin verzog das Gesicht. Ihre Worte schienen sie zu schmerzen: » Oh ja! Aber um Ihnen nichts zu verheimlichen: Ich hatte beschlossen, noch etwas abzuwarten– aus niederen materiellen Gründen. Mein Mann hat einen alleinstehenden Großonkel, sein Taufpate, der in einem Krankenhaus in Marokko auf sein Lebensende wartet. Er ist reich. Er besitzt dort drüben mehrere Immobilien. King war der designierte Alleinerbe. Nicht ganz allein, da King und ich ja verheiratet waren und eine Gütergemeinschaft vereinbart hatten: Die Hälfte des Vermögens hätte also mir zugestanden. Hätte ich mich vor dem Tod seines Paten scheiden lassen, hätte ich meinen Anteil natürlich verloren. Aber ich wollte diesen Anteil unbedingt, als Prämie für all die Jahre, die ich King ertragen habe. Jetzt, wo mein Mann als Erster gestorben ist, gibt es auch keine Erbschaft mehr. Niemals werden sie eine Witwe finden, die über den Tod des Gatten mehr erschüttert ist als ich.«
    Im Auto herrschte verlegenes Schweigen, niemand wagte, es zu unterbrechen. Sie fuhren durch eine Ortschaft, wo es von Touristen, Taxis, Souvenirgeschäften nur so wimmelte. Hier und da waren ein paar Esel unterwegs, die sich unter dem Gewicht schwerer Feriengäste bogen. Unterhalb der Straße war ein kompaktes Dorf zu sehen, eine Fülle von weißen Häusern und sich windenden Gassen, und dahinter erhob sich ein Berg, auf dem die Ruinen eines Tempels thronten. Königin zeigte darauf.
    » Das ist Lindos. Eine sehr hübsche kleine Stadt. Unsere Chéris könnten sich auch dorthin vorwagen, aber sie ziehen die Geschäfte im Club vor. Umso besser für uns, das macht Umsatz.«
    Zwei Kilometer weiter bog sie in einen Weg ein, der mitten in einen Pinienwald hineinführte. Die Zufahrt war mit einer Schranke versperrt. Ein großer, junger, bärtiger Mann trat aus einem Häuschen, schaute sie aufmerksam an und ließ sie wortlos ein.
    » Ist das der Türke?«, fragte Willy.
    » Nein, sein Sohn Kerim. Er ist taubstumm und lebt bei ihm. Wenn der Türke morgens gärtnert, ersetzt Kerim ihn an der Schranke. Mittags fährt der Sohn nach Lindos, wo er als Tellerwäscher und Reinigungskraft in einem Restaurant arbeitet. Abends kommt er zurück zu uns, um den Heydudas von Zecher-Koko im Nachtclub zu helfen. Vater und Sohn arbeiten ohne Vertrag für uns, für einen Hungerlohn, und das geht schon viele Jahre so. Ich habe mich immer dafür geschämt. Jetzt, wo King nicht mehr da ist, werde ich das endlich in Ordnung bringen können. King hat den Türken nie gemocht, übrigens wollte er ihn entlassen. Aber ich gehe Ihnen mit diesen Geschichten sicher auf die Nerven.«
    Ja, der Kommissarin gingen diese Geschichten auf die Nerven, aber ihr Lieutenant war taktvoller.
    » Gar nicht. Warum wollte er ihn loswerden?«
    » Weil der arme Teufel uns eine Szene gemacht hat. Er war sich sicher, dass King Sixiz, seine Katze, aufgehängt hatte. Die Situation war lächerlich. Der Türke spricht nur Türkisch, und King verstand kein Wort. Ich kann mich verständigen, ich hatte im Libanon ein türkisches Kindermädchen. Also habe ich mit dem größten Vergnügen die Dolmetscherin gegeben und mich köstlich dabei amüsiert. Und da ich alles übersetzen musste, habe ich King gesagt, dass er ein Dreckskerl sei, ein Feigling, dass er es verdiene zu verrecken– das war ein großes Vergnügen. Hinterher musste ich den Türken noch beruhigen, ich hatte Angst, er würde auf King losgehen. Der Alte hat sich dann zwar entschuldigt, aber zu spät: Seine Majestät war beleidigt worden.«
    Das Auto hielt, Königin öffnete die Tür.
    » Ich werde Ihnen Ihre Lodge zeigen, Commissaire. Wenn Sie erlauben, lassen wir Ihren Lieutenant auch dort warten. Eine Heyduda kommt ihn dann später abholen, um ihn in das Zimmer zu führen, das er sich mit einem anderen Chéri teilen wird.«
    » Danke, Königin. Aber Vorsicht: kein ›Lieutenant‹ und kein ›Commissaire‹ mehr. Hier sind wir nur Willy und Viviane.«
    Die Lodge befand sich am Eingang zum Bereich der Kokos, lag etwas abseits davon. Als sie

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