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Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition)

Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition)

Titel: Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Flipo
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sie nicht.
    Willy entschuldigte sich und stand auf. Er hatte einen Termin mit Gegenwind-Koko, dem großen Schwarzen, um sich für einen Segelkurs einzuschreiben. Viviane blieb allein zurück, wieder einmal. Sie hing am Pool herum, nicht wissend, mit wem sie reden sollte. Gebrüll aus dem Megaphon befreite sie aus der Situation: Animateur-Koko ging durch die Reihen, um die Einträge für das Karaoke am Abend einzusammeln. Er kam zu Viviane.
    » Bei Ihnen könnte ich mir gut vorstellen, dass Sie etwas von Zazie singen. Ich habe noch ›Les pieds nus‹, soll ich das für Sie reservieren? Sie könnten das passend zum Titel barfuß singen, das wäre lustig, kommt gut an.«
    » Danke, aber ich bin nicht lustig, und ich will auch nicht gut ankommen. Rechnen Sie in jedem Fall nicht mit mir. Ich bin heute Morgen sehr früh aufgestanden, um den Flug zu bekommen, ich bin müde.«
    » Ja, aber gerade die, die als Letzte angekommen sind, müssen da sein: Wir stellen den Chéris jeden Abend die Neuankömmlinge vor. Das findet im Amphitheater nach Einbruch der Dunkelheit, so gegen 21 Uhr statt. Vielleicht mögen Sie lieber Dalida? Wie wär’s mit ›Gigi l’amoroso‹?«
    Viviane lehnte eine Karriere als Karaoke-Sängerin fest entschlossen ab, versprach aber, am Abend zu kommen. Wenn sie schon auf die anderen zugehen sollte, dann war das ein ideales Sprungbrett. Sie stellte sich die Gesichter ihrer Männer vor, könnten sie sehen, wie sie eine auf Dalida machte. Und Monot, was würde Monot dazu sagen!
    Nach einem kurzen Abstecher in ihr Zimmer, wo sie ihren Gedichtband holte, setzte sie sich in einen Liegestuhl etwas abseits vom Gewimmel an der Bar. Sie blätterte darin und war enttäuscht. Es war schwieriger zu lesen, als sie es sich vorgestellt hatte. Sie verstand nicht, wovon Apollinaire sprach. Und was sie verstand, fand sie langweilig. Baudelaire war doch besser. Ach, wenn Monot doch da sein könnte! Er hätte ihr von Apollinaire erzählt, er hätte ihr seine Gedichte vorgetragen. Mit Monot wäre alles einfacher gewesen. Einschließlich dieses Falls.
    Am Ende des Gedichtbändchens war eine Zugabe, ein Bestiarium, das zugänglicher schien: Die Gedichte hatten je nur vier Verse und waren mit Gravuren eines gewissen Dufy ausgestattet. Sie blieb bei der Eule hängen:
    Mein armes Herz: der Eule gleich!
    Genagelt, frei, nochmals ins Fleisch getrieben,
    Die Nägel, blutvoll, glutenreich.
    Ich lobe alle, die mich lieben.
    Endlich ein Gedicht, das ihr gefiel, wie man es in der Grundschule las. Sie beschloss, es auswendig zu lernen, indem sie es mehrmals leise las:
    Mein armes Herz: der Eule gleich!
    Genagelt, frei …
    » Müssen Sie einen Text auch laut sprechen, wenn Sie lesen? Meine Großmutter macht das auch so. Wie ist der Titel? Alkohol? Ein Buch über Alkoholismus? Mögen Sie keine Romane? Ich bin wie Sie, keine Romane, nur Bücher über aktuelle Themen, vor allem über Promis. Man lernt einen Haufen Dinge, über die man sich gut unterhalten kann.«
    Eine Chérie in einem grünen Pareo und einem blauen Bikini-Oberteil sah sie wohlwollend an. Ihr Mann hielt sich im Hintergrund. Er trug ein oranges T-Shirt und die gleiche lila Schirmmütze wie seine Frau, schien aber gegenüber Intellektuellen größeres Misstrauen zu hegen.
    Viviane beruhigte die Chérie, es seien Gedichte. Und nicht nur über Alkohol, sondern auch über Tiere. Sie hielt es für angebracht, ihr die Seite zu zeigen, die sie las, als müsste sie sich verteidigen.
    » Hübsch, dieses Bild. Schade, dass es nicht farbig ist.«
    In der folgenden halben Stunde kam die Kommissarin noch in den Genuss dreier ähnlicher Besucher. » Ich habe auch schon mal ein Buch von Anonymen Alkoholikern gelesen, ich weiß aber nicht mehr, von wem es war«; » In der Schule haben wir Gedichte von Maurice Carême gelernt, kennst du den?«; » Als Dichter mag ich Francis Cabrel lieber, außerdem gibt es da auch Musik zu.«
    Sie brauchte nicht mehr auf die anderen zuzugehen, die anderen kamen auf sie zu. Im Club genügte es, sich zurückzuziehen, ein Buch aufzuschlagen, und schon paradierten die Neugierigen.
    Nur, dass die Erwähnung ihrer jeweiligen Lektüren die Ermittlungen nicht voranbrachte.
    Die nächste Neugierige war eine hübsche Brünette mit dem Körper einer Bodybuilderin. » Hallo, ich bin Muskel-Kiki. Wollen Sie nicht lieber zum Step kommen, anstatt sich hier beim Lesen alleine zu langweilen? Das wird Ihnen bestimmt guttun.«
    Die Kommissarin lehnte lächelnd ab: Nein,

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