Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition)
lesen langweile sie nicht, und ein Step, es tue ihr leid, aber sie wisse nicht einmal, worum es sich dabei handle.
Muskel-Kiki verzog traurig das Gesicht. » Es wäre wirklich schön, wenn Sie kommen würde, das würde mir helfen. King hatte mich schon vorgewarnt: Wenn nicht genügend Teilnehmerinnen kommen, wird der Kurs gestrichen. Und mit Königin und Animateur-Koko wird das bestimmt nicht besser werden, eher im Gegenteil…«
Viviane legte ihre Gedichte beiseite. » Wenn das so ist, komme ich mit, aber Sie erklären mir, warum Sie sagen, dass das bestimmt nicht besser wird, eher im Gegenteil …«
Muskel-Kiki schenkte ihr ein breites, athletisches Lächeln. » Wenn du zum Step kommst, darfst du mich duzen. Na ja, so unter uns: Königin hat nur den Umsatz im Sinn und legt Tabellen an, um zu vergleichen, wie stark besucht die Kurse sind. Sind zu wenige eingeschrieben, hopp!, wird der Kurs gestrichen. Und wenn der Koko plötzlich nicht mehr genügend Kurse anbietet, hopp!, wird der Koko gestrichen. King ist tot, aber das hat nichts geändert.«
» Warst du auch bei ihm vorgeladen, am 14. Juli?«
» Ja, da hat King mir gedroht, den Step zu streichen. Er hat mir einen Aufschub gewährt, unter einer Bedingung: Ich sollte ihm alles berichten, was ich über seine Frau höre. Als ob sie unser einziges Gesprächsthema wäre…«
Viviane stellte sich die Szene vor. Die gleißende Sonne, die grandiose Umgebung des Amphitheaters, die Einsamkeit von King, der erst den Monarchen und dann den Tyrannen spielte; die Vasallen, von denen er Unterwürfigkeit und Verleumdungen erwartete. Er, der das Theater anscheinend so mochte, hatte er begriffen, dass er dabei war, seine eigene Tragödie zu inszenieren? » War King an dem Tag wie immer?«
» Er war nie wie immer, an diesem Nachmittag noch weniger. Er war wie von Sinnen, aufgeregt, von allen guten Geistern verlassen. Ich habe mich gefragt, ob er nicht betrunken war oder unter Drogen stand. Warum fragst du das alles?«
» Ich suche nach Ideen für mein Drehbuch.«
Muskel-Kiki kündigte an, dass es Zeit für den Step sei. Viviane folgte ihr auf dem Fuß, um mit Schrecken festzustellen, dass sie in den Genuss einer Einzelstunde kommen würde. Nie hatte sie sich so einsam gefühlt, wie in der halben Stunde Sport, zu der die junge Frau sie verdonnert hatte. Die Kommissarin stieg auf ihr Step-Brett, und wieder runter, und wieder rauf, eins, zwei, sehr gut, tap up, tap down, und zwei V-Steps, Se it e, rechts, links, drei, vier, ja, so, zwei Basics, zwei, und dann knee up, fünf, sechs, turn, sieben, acht.
» Nie wieder Pommes«, versprach sie sich, » jedenfalls nicht vor morgen.« Sie beendete die Stunde taumelnd und hatte kaum noch Kraft zu lächeln, als Muskel-Kiki ihr ankündigte: » Morgen früh erwarte ich dich zum Bauch-Beine-Po-Kurs!«
Viviane war auf die anderen zugegangen, und jetzt tat ihr alles weh.
Kapitel 7
Da die Kommissarin ahnte, dass der Abend ein Desaster werden würde, genehmigte sie sich noch eine Ruhepause und legte sich mit Apollinaire aufs Bett. Um nicht einzuschlafen, versuchte sie ein Gedicht zu lernen, ihre Wahl fiel auf die Rheinische Nacht:
In meinem vollen Glas bebt flammengleich der Wein,
Hört wie ein Schiffer sacht erzählt in seinem Sang,
Wie er wohl sieben Fraun gesehn im Mondenschein …
Viviane schlief ein und ließ die sieben Frauen sein. Am frühen Abend wachte sie wieder auf. Sie beeilte sich, ins Restaurant zu kommen, um zusammen mit dem ersten Schwung Gäste noch einen Platz zu bekommen. Lieutenant Cruyff machte ihr aus der Ferne ein schelmisches Zeichen. Er saß inmitten einer Gruppe von Chéris, die sich angeregt unterhielten. Sie waren alle treue Gäste des Esprit-Clubs und erzählten unbedarft glücklich von ihren Urlaubserinnerungen. Die klangen bei allen gleich– verbrachten die Chéris doch seit zehn Jahren ihre Ferien in den gleichen Dörfern. Ah! Die Margaritas von Cancún; Ah! Die Witze von Mehdi auf Djerba; Ah! Die thailändischen Tanzabende auf Phuket … Sie tauschten sich voller Leidenschaft aus, denn sie waren sich in allem einig. Sie hatten die Welt der Esprit-Clubs umrundet, sie hatten die Welt umrundet, ohne den Esprit-Club zu verlassen.
Gerade wurde ein Tisch für zwei frei. Es war der geeignete Moment, sich etwas abzusondern, und Viviane machte Willy ein diskretes Zeichen. Aber der Lieutenant war zu beschäftigt. Er wirkte ganz gefesselt von den Erzählungen seiner Nachbarn.
» Wart ihr früher schon mal
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