Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition)
nicht gelang, ihren blödsinnigen Assistenten in den Griff zu bekommen. Sie erinnerte sich an Monots Dummheiten zu Anfang: der weggeschleppte Leichnam, das hinuntergeschluckte Beweisstück, der falsche Scoop an die Medien, das erschien ihr jetzt alles verzeihlich, beinahe süß. Warum musste sie sich mit so einem katastrophalen Lieutenant herumplagen?
Die Kommissarin fühlte eine derartige Wut in sich hochkochen, die sie unbedingt loswerden wollte. Sie musste jetzt eine Gemeinheit von sich geben, aber Willy war noch immer nicht zurück. Sie ging zum Empfang, las an der Tafel die Angebote des Tages durch und beschloss, nur zu sich selbst gemein zu sein. Gerade fing der Kurs » Standardtänze« an.
Walzer-Kiki war eine kleine, alternde Frau, mit grauen, kurzen Haaren, die Lippen so schmal wie ihr Körper, ohne Fettpölsterchen und kantig, eine Frau, die nur aus Knochen bestand. Sie sah den beiden zierlichen Heydudas ähnlich, die sie vorstellte, während sie ihren sechs anwesenden Schülern, ausschließlich weibliche Chéries, einen konsternierten Blick zuwarf. » Heute wenden wir uns dem Tango zu, dem sinnlichsten der Paartänze. Aber ich habe heute nur Manolo und Robert, ein oder zwei Damen müssen also den männlichen Part übernehmen. Wer macht das?«
Viviane besah sich die anderen ohne Begeisterung: zu mollig, zu naiv. Sie hatte keine Lust, mit ihnen zu tanzen, abgesehen von Manolo und Robert.
» Jede kommt der Reihe nach dran«, bestimmte Walzer-Kiki. » Also, wer macht den Anfang?«
Ein fröhliches » Warten Sie, ich komme!«, antwortete ihr. Es war Fredo, der Apfelverführer, der Viviane den Blick eines Eroberers zuwarf.
» Ich mache den Mann!«, kündigte Viviane an und schnappte sich eine Blonde mit wippenden Brüsten.
Die anderen Paare fanden zusammen, das Bandoneon hauchte die ersten Töne.
Während sie die acht Basisschritte lernten, die salida, hatte Viviane erfahren, dass ihre Partnerin Mireille hieß, den Club für alleinstehende Frauen sehr toll fand, seit ihrer Ankunft keinen Tanzkurs verpasst hatte und schon kubanische Salsa, Mambo und Polka tanzen gelernt hatte: sehr nützlich, um sich im Nachtclub weniger steif zu fühlen, man könne dort leicht Bekanntschaften machen…
» Ich sage Ihnen das nur für den Fall. Der Playboy, den man manchmal an Ihrer Seite sieht– mit dem sind Sie nicht wirklich zusammen, oder?«, fragte sie Viviane.
» Nein, nicht wirklich, ist nur ein Freund.«
» Das dachte ich mir schon…«
Die Kommissarin steckte den Schlag ein. Wie konnte sie, diese fette Qualle, sich erlauben zu sagen das dachte ich mir schon?
Sorglos plapperte Mireille weiter: » Dem ist nicht langweilig im Nachtclub. Der ist ein heißer Feger. Wenn Sie wüssten!«
Viviane wollte nichts mehr von Willy hören, nicht wie er tanzte, und auch nicht, wie er seine Nächte zubrachte.
» Es ist Zeit zu tauschen, oder nicht?«, fragte sie Walzer-Kiki.
Die Paare strebten auseinander. Fredo stürzte sich auf die Kommissarin, aber Robert kam ihm zuvor.
Walzer-Kiki legte La Cumparsita auf, und Viviane spürte, wie ihr Partner sich an sie drückte. Es war nicht unangenehm, aber Roberts Oberkörper war kalt, flach, professionell. Er führte sie entschlossen, hielt manchmal an, um ihr die Schritte zu erläutern. » Das ist wie im Leben, der Mann schreitet voran, die Frau weicht zurück«, kommentierte er mit einem eindringlichen Lächeln. Wie oft hatte er dieses schwerfällige Scherzchen schon gemacht? Der Kommissarin stiegen beinahe die Tränen in die Augen. Ja, so war es in ihrem Leben, die Männer schritten auf sie zu, und sie wich zurück.
Im Laufe der Stunde wechselte sie mehrmals den Partner, die Partnerin, sie kam sogar in den Genuss von Fredo, sie entdeckte die Varianten der salida, die hesitacio corte, die ocho para atrás, die firulete. Vor allem fand sie Gefallen daran. Ihr schien, als stellte sie sich gar nicht schlecht an.
Manolo, der zuletzt zu ihr gewechselt war, ließ die Sequenz mit ihr andauern. Sie ließ sich tragen von den Akkorden der Geigen, von den Bewegungen der Schultern ihres Kavaliers. » Hast du schon mal Tango getanzt? Nein? Hey, dann bist du wirklich talentiert. Hast du einen Trick, oder wie merkst du dir die Schrittfolgen so gut?«
Ja, sie hatte einen Trick. Einen wunderbaren Trick. Sie stellte sich vor, sie würde mit Augustin Monot tanzen. Die warme Hand, die sie zärtlich festhielt, den Oberkörper gegen den ihren gepresst, die Beine, die lasziv ineinanderglitten, das
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