Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition)
alleine, mehr Gewicht wäre nicht gegangen. Ich habe mich oben aufs Rad gesetzt, er ist auf der Leiter geblieben. Er war stärker als ich und hat die Schraube gleich beim ersten Versuch losbekommen, dann ist er wieder runtergeklettert. Warum fragen Sie das? Ist das normal, dass man als Drehbuchautor so viele Fragen stellt? Diese Details könnten Sie sich doch ausdenken.«
» Das Gelebte hat immer mehr Kraft. Und wie ist das ausgegangen?«
» King wurde ungeduldig und hat mich losgeschickt, um Königin zu suchen. Ich habe sie auf dem Weg zum Strand gefunden. Als wir bei ihm ankamen, hat er uns erklärt, dass die Unterredung mit dem Türken nun doch warten könne– so war er eben, etwas sprunghaft. Was seiner Meinung nach nicht warten konnte, war die Aufführung. Er wollte, dass Clown-Koko unter dem Gehängten Witze riss, und dass man einen Totenkranz am Fuß des Galgens deponierte. Er hat uns gebeten, Clown-Koko kommen zu lassen, um die Gags mit ihm vorzubereiten, und einen Kranz aus falschen Blumen aufzutreiben. Er meinte, noch einen im Lager gesehen zu haben. Königin und ich, wir hatten unsere liebe Not, Clown-Koko zu motivieren. Er wollte nichts mehr davon hören, schließlich war er gerade gefeuert worden. Und im Lager war keine Spur von einem Kranz. Als wir dann zu dritt wieder ins Amphitheater kamen, war King nicht mehr da. Da waren nur ein Chéri und ein Bulle in Zivil, der angeblich einen Termin mit ihm hatte. Zusammen haben wir alles abgesucht, ohne Erfolg. Wir haben das als eine von Kings Launen abgetan, das Tor geschlossen und tschüss.« Animateur-Koko saugte schmatzend an seiner erloschenen Pfeife.
Viviane nippte weiter an ihrer leeren Tasse. Sie stellte sich vor, wie sich die Geschichte weiterentwickelt hatte, töricht und tödlich. » Wer war eigentlich der Erste, der die gehängte Pseudopuppe gesehen hat?«
» Ich, eine Stunde vor allen anderen. Ich hatte mich etwas früher mit zwei Heydudas verabredet, die mir helfen sollten, die Puppe aufzuhängen. Gleich nach dem Essen bin ich zusammen mit Spritzen-Kiki zum Amphitheater gelaufen, weil sie mit mir reden wollte. Sie war ziemlich aufgebracht wegen Kings Entscheidungen. Nicht nur, weil er Clown-Koko vor die Tür setzen wollte, sondern auch, weil ihr Posten als Krankenschwester sinnlos würde, wenn ein medizinisches Versorgungszentrum mit einem Arzt jeden Morgen am Empfang eingerichtet werden sollte. Spritzen-Kiki wollte, dass ich bei King ein Wort einlege, aber ich habe mich lieber bedeckt gehalten.«
Viviane mochte keine Abschweifungen, da konnte sie nicht richtig folgen. » Wir sprachen von der gehängten Puppe…«
» Ach ja. Ich habe Spritzen-Kiki angeboten, mit mir ins Amphitheater zu gehen, aber mit ihren hundert Kilo wollte sie lieber unten an der Treppe stehen bleiben. Es hat nicht lange gedauert. Ich erinnere mich, dass aus den Boxen des Restaurants ›Alexis Sorbas‹ zu hören war, als ich sie allein ließ. Kaum dass ich durchs Tor gegangen war, habe ich auch schon die Puppe an einem gelben Seil hängen sehen und bin davon ausgegangen, dass meine Heydudas den Job schon allein erledigt hatten. Ich war zwei Minuten im Regiehäuschen, um die Beleuchtung zu überprüfen. Als ich dann wieder bei Spritzen-Kiki und ihrem Gejammer ankam, waren wir erst bei der Busuki aus dem Sorbas-Finale.«
Viviane seufzte verdrossen. Er war freundlich, Animateur-Koko, aber er überflutete sie mit Details. Sie kam aufs Eigentliche zurück: » Wer hat ihn am Ende des Abends abgehängt?«
» Der Heyduda, der auf der Leiter stand, hat sich gewundert, dass die Puppe so schwer war. Er hat mich gebeten zu helfen. Da haben wir es kapiert. Wir haben die Kokos gerufen, der Bulle ist runtergekommen, die Krankenschwester auch, aber es war zu spät. Natürlich.«
» Was haben Sie mit dem Seil gemacht?«
» Das muss dort geblieben sein. Wahrscheinlich hat man es unter die Bühne geräumt, das machen wir mit allem, was herumliegt.«
So, das war’s. Die Kommissarin hatte die gesamte Tragödie mitverfolgt. » Königin hat mir erzählt, dass King sie gebeten habe zu dolmetschen, wenn er dem Türken die Kündigung aussprechen würde. Wozu– wo er seine Meinung doch geändert hatte?«
» Was weiß ich?«, sagte Animateur-Koko und zuckte mit seinen schmalen Schultern. » Vielleicht hat er es in letzter Sekunde entschieden.«
» Er hätte sich überlegen können, Clown-Koko anstelle des Türken zu entlassen. Was meinen Sie: War einer von beiden Königins
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