Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition)
alles war Monot.
Außerdem war der Tango der einzige Fortschritt, auf den sie seit Beginn dieser Ermittlungen stolz sein konnte: Sie hatte einen Tanz entdeckt, der für sie erfunden worden war. Viviane war müde, sie fühlte ein Brennen im Magen– sicher das essigsaure Gemüse–, ihre Füße schmerzten, ihr war speiübel, aber für nichts in der Welt hätte sie aufgehört.
Am Ende der Stunde versammelte Walzer-Kiki ihre Schüler. » Jetzt, wo ihr alle diesen Tanz beherrscht, gibt es für euch die Möglichkeit, eine Erinnerungs- DVD machen zu lassen: Jede kann sich von Robert filmen lassen, wie sie einen langen Tango mit Manolo tanzt. Das kostet 30 Euro, in bar.«
Ein extravaganter Preis, den die Kommissarin leichten Herzens bezahlte, bevor sie sich an Manolo schmiegte. Sie brauchte diese Erinnerung, diese Bilder des Glücks, die sie in den nächsten Monaten in Paris vielleicht die entsetzlichen Bilder des in seinem Blut badenden Türken mit dem gespaltenen Nacken vergessen ließen. Niemals aber würde der Tango das viel schlimmere Bild verscheuchen können, das noch deprimierender war: das Bild von Sixiz’ Grab, dem leeren Grab, in dem nur die Dummheit ihres Assistenten ruhte.
Es gab da natürlich keinen Zusammenhang, aber je länger die Kommissarin auf Willy wartete, desto mehr quälte sie ihr brennender Magen. Sie ging zur Krankenstation.
Spritzen-Kiki hatte das Gesicht einer Madonna von Raphael, das fälschlicherweise auf einen beleibten Botero-Körper aufgeklebt worden war. Sie begrüßte Viviane mit einem sanften Lächeln, hörte sich ihre Leiden an und holte eine Kiste mit Tütchen aus ihrer Schublade. » Hier ist etwas in der Art von Omeprazol, nur wirksamer. Das macht dann 18 Euro.«
» Sodbrennen ist aber teuer bei Ihnen«, wunderte sich Viviane.
» Na hören Sie mal, ich fahre in die Stadt, um Medikamente zu kaufen, ich verwalte die Bestände, ich stehe für alles gerade, was ich nicht verkaufen kann, ist doch normal, dass ich eine Marge einkalkulieren muss. Wenn Sie lieber nach Lindos in die Apotheke fahren möchten, halte ich Sie nicht davon ab. Aber dafür bräuchten Sie dann ein Rezept.«
Resigniert bezahlte Viviane. Bei dem Preis wollte sie aber noch ein Interview als Zulage haben. » Animateur-Koko hat mir von Ihrer Diskussion an dem Abend erzählt, als King gehängt wurde, als er zum Amphitheater ging. Schade. Wenn Sie mit ihm gegangen wären, hätten Sie, als Krankenschwester, sicher bald bemerkt, dass die erhängte Puppe eine echte Leiche ist.«
» Animateur-Koko war nur auf einen Sprung dort, er war keine drei Minuten weg, ich erinnere mich, es hat gerade für einen ›Sorbas‹ gereicht.«
» Eben, Sie hätten ihn begleiten können.«
» Nein, meine Kilos und ich, wir klettern die Stufen nur hoch, wenn es nicht anders geht.« Spritzen-Kiki sah Viviane an, als wäre ihre Bemerkung abwegig gewesen, dann ergänzte sie: » Sie können das sicher nachvollziehen, denke ich.« Sie sah sie noch durchdringender an, als suche sie eine Lösung für ein geheimnisvolles Problem. » Wenn es Sie übrigens interessiert, ich habe Appetitzügler auf Algenbasis. Die kosten 32 Euro, aber Ihnen gebe ich sie für 30.«
Viviane seufzte stoisch. Sie hatte schon viele Befragungen in ihrer Karriere durchgeführt, hatte Geständnisse erhalten oder durch Überraschungseffekte, Drohungen, Schmerzen oder Kumpelei neue Erkenntnisse gewonnen. Aber mit Geld hatte sie es noch nicht versucht. Sie kaufte die Pillen.
Spritzen-Kiki war einem Plausch nicht mehr abgeneigt. Sie bestätigte die Aussage von Animateur-Koko. Kings Entscheidungen seien für sie eine Katastrophe gewesen. Nicht nur weil ihrem Mann, Clown-Koko, gekündigt worden sei, sondern weil diese Schnapsidee, ein medizinisches Versorgungszentrum im Club zu eröffnen, ihr Einkommen halbieren würde.
» Hätten Sie nicht Königin bitten können einzugreifen?«
» Mit ihr hätte ich nicht den Schimmer einer Chance gehabt, sie ist schlimmer als King.«
» Ihre Tischrunde am Abend des 14. Juli war wohl nicht sehr feierfreudig.«
» Wir waren alle aufgebracht, nicht nur Clown-Koko und ich, auch die anderen Kokos und Kikis. Wissen Sie, wir haben alle unsere kleinen Arrangements, um das Monatsende aufzurunden, aber King hatte entschieden, alles in den Clubumsatz einfließen zu lassen. Wir waren ziemlich sauer, haben viel getrunken, und dabei kam dann eine merkwürdige Stimmung auf.«
Eine vorrevolutionäre Stimmung, lag Viviane auf der Zunge. Sie stellte sich
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