Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition)
ihre kalte Dusche bekommen. Sie ging beim Lieutenant vorbei und klopfte an seine Tür. Willy erschien, lächelnd, ein Handtuch um die Hüften. Wie in einer Deo-Werbung.
» Ich hatte vergessen, Ihnen Bescheid zu sagen. Heute Abend gehe ich mit Ihnen in den Nachtclub.«
Er zog ein Gesicht wie ein bestraftes Kind. » Aber ich bin dort schon mit jemand anderem verabredet!«
» Das ist mir egal. Erklären Sie der anderen, dass es zwischen Ihnen beiden an einem anderen Tag heiß hergehen wird.«
Jetzt zog er ein Gesicht wie ein zu Unrecht bestraftes Kind. Die Kommissarin machte auf dem Absatz kehrt, bevor sie noch Mitleid mit ihm bekäme.
Sie aß mit ein paar frisch aus Lyon eingetroffenen Leuten, die sich über ihre mittelmäßigen Spieße beschwerten, während sie Erinnerungen an Brüche und Verstauchungen austauschten. Als das Thema ausgeschöpft war, stürzten sie sich in eine Diskussion über die Krankenhäuser der Region. Viviane blieb stumm, die Tischnachbarn gaben sich Mühe, versuchten es mit einem » Und Sie?«, aber vergebens, sie war mit den Gedanken woanders.
Sie erhob sich, ging vor dem Tisch der Kokos hin und wieder her, beäugte aufmerksam deren Teller, dann ging sie zum Grill. » Ich soll Spritzen-Kiki ein paar Spieße mitbringen.«
Der Heyduda am Grill blickte zum Tisch der Kokos, suchte Blickkontakt zu Spritzen-Kiki, aber sie drehte ihm den Rücken zu. Er zuckte mit den Schultern, bückte sich hinunter zum Reservebratrost und holte zwei Metallspieße hervor.
Viviane ging zurück zu ihrem Tisch. Das hatte nichts zu tun mit dem, was man den Chéris auftischte. Gewürzt, saftig, köstlich. Noch köstlicher war, dass sie das kleine Nebengeschäft von Küchen-Koko erschnüffelt hatte.
Sie hätte zufrieden sein können, stattdessen dachte sie an diesen verrückten Tag, an den ermordeten Türken, an die Grabschändung von Sixiz, die Entdeckungen, die sie gemacht hatte, an den schwindelerregenden Aufstieg zum Pfad, an das erste Puzzleteil, das dabei war, seinen Platz zu finden, und die stets wiederkehrende, quälende Frage: » Was zieht man an so einem Ort zum Ausgehen an?«
Kapitel 14
Das fragte sich Viviane auch zwei Stunden später vor ihrem Spiegel noch. Die Reisetasche war ganz ausgepackt, und sie musste sich damit abfinden: Bei der Vorbereitung zu diesem Fall hatte sie nicht ein einziges Mal an einen Ausflug ins Nachtleben gedacht. Das Klingeln ihres Handys unterbrach ihre Gedanken. Es war Augustin Monot.
» Entschuldigen Sie wegen neulich, Commissaire, ich muss Ihnen am Telefon wortkarg vorgekommen sein, aber vor mir saß Priscilla Smet. Wir waren dabei, die Sendung für M6 vorzubereiten.«
Viviane beeilte sich, ihn zu beruhigen: Aber nicht doch, sie habe nichts Besonderes bemerkt und sich schon gedacht, dass er, ganz wie sie, viel wirkliche Arbeit habe. Es sei ja nicht erstaunlich, dass er Entspannungspausen brauche, mit dieser Frau aus dem Ministerium, deren Namen sie immer vergaß, äh, Patricia Spot, nicht wahr?
Monot tat, als hätte er nichts gehört. » Ich habe Recherchen zu Ihrer Drogenabhängigen aus Niort angestellt. Ich habe mit zwei Mitbewohnerinnen telefoniert und mit einer ihrer Freundinnen bei der Zeitarbeitsfirma. Es passt und passt auch nicht. Sie war eine von diesen wunderlichen Singles. Sie nahm Antidepressiva und ließ sich von Zeit zu Zeit regelrecht volllaufen, aber weder hat sie geraucht noch Drogen genommen, da sind sich die drei Mädchen einig. Eine Linie Koks in den Ferien, an einem verrückten Abend, warum nicht? Aber mehrere Dosen als Reserve im Koffer – dafür hatte sie gar nicht die Mittel. Und um Dealerin zu spielen, dazu wäre sie nicht in der Lage gewesen: zu schüchtern, zu ängstlich.«
Aha! Nicht nur, dass er mit ihr über Arbeit sprechen wollte, er machte ihre auch noch schlecht. Sie würde den Fall nicht wieder aufnehmen– wo der Allmächtige ihr doch gerade zum Abschluss desselben gratuliert hatte.
Zum Glück hatte Monot schon das Thema gewechselt.
» Hatten Sie noch andere Fragen? Läuft es gut mit Cruyff?«
Sie seufzte und ließ ein » Ja, sehr gut, sagen wir, so gut es eben geht« fallen, das voller subtiler Andeutungen war. Die Andeutungen waren anscheinend zu subtil, Augustin ging nicht darauf ein.
» Umso besser. Bis bald, Commissaire.«
So schnell kam er nicht davon, sie hatte kaum seine Stimme gehört. Sie improvisierte fast verzweifelt: » Was lesen Sie denn gerade Schönes, Monot?«
» Ein Lehrbuch zum Strafverfahren. Damit werde ich
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