Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition)
auf die Jungen aus dem Dorf, auf die Einsamen, Hässlichen. » Geh doch hin und sag ihm, dass Damenwahl ist und dass man das so macht in der Stadt.« Sie verstanden gar nichts, die armen Eltern, sie konnten nicht ahnen, dass Viviane nur mit den Schönen tanzen wollte, nur die Schönen mochte. Irgendwann hatte sie sich dann unter die Menge gemischt, sich zu Disco- oder Technomusik bewegt, die sie grässlich fand, ekstatisch und zum Schein das Gesicht verzogen, wie es sich gehörte, irgendwelche Zuckungen vollführt, wenn der Rhythmus sich steigerte, und war dann ganz verschwitzt zurückgekommen. Ihre Eltern waren glücklich gewesen; bevor sie heimfuhren, tranken sie noch ein Bier zusammen. » Na, du hast dich doch gut amüsiert, es war eine Freude, dir zuzusehen.« Sie hatte ihnen den Gefallen getan, sie würden sie bis zum nächsten Sommer in Ruhe lassen.
Was sie am heutigen Abend kränkte, war nicht das Gefühl, verlassen zu sein, sondern eine absurde und verletzende Eifersucht: Ihr kleiner Lieutenant ignorierte sie. Er markierte den Partyhelden, tanzte lasziv mit der Brünetten, die an ihm klebte und seinen Körper, seinen Mund suchte. Da, sie hatte ihn gefunden. Es war vulgär und unanständig. Obszön. Und Viviane, die viel lieber aufgestanden und zu ihrer Lodge gelaufen wäre, war dazu verdammt, sitzen zu bleiben und gleichgültig oder belustigt dreinzuschauen. Willy schien das zu erraten, er raunte seiner Partnerin ein paar Worte ins Ohr und kam auf die Kommissarin zu, als gerade ein neuer Salsa gespielt wurde.
» Na los, kommen Sie, bleiben Sie nicht alleine.«
» Danke, ich bleibe lieber sitzen, als so zu tanzen.«
Schon war er wieder weg. Viviane fühlte Wut in sich aufsteigen, bemühte sich aber, gelassen zu bleiben. Richtig, sie hatten vorgeben wollen, sich erst seit Kurzem zu kennen, aber wie sollte sie diesen Dummköpfen das erklären? Sie hatte das Gefühl, dass Willy sie vor allen lächerlich machte.
» Bist du alleine hier, willst du tanzen?« Ein Heyduda kam ihr zu Hilfe. Ein Großer mit blonden Locken und sanften braunen Augen. Sie verneinte mit einem traurigen Lächeln, er verstand sie.
» Willst du was mit mir trinken? Ich lade dich ein, aber du musst bezahlen, ich habe im Moment überhaupt keine Kohle. Kennst du den Papagallo? Ist Zecher-Kokos Spezialität: Ouzo, Minzlikör, Schaumwein und etwas Ingwer.« Er hatte auf eine große Schale gezeigt, die auf dem Tresen thronte. Sie war mit einem grünen Getränk gefüllt, das auch in den meisten Gläsern an den Tischen war.
Viviane fragte nach dem Preis und der Heyduda lächelte sie wissend an.
» Wie zahlst du? Mit der Clubkarte macht es 4 Euro, bar nur 2. Wenn du kein Kleingeld hast, kann ich es dir vorstrecken, du gibst es mir dann später zurück.«
» Warum ist es günstiger, wenn man bar bezahlt?«
» Weil es dann keine Verwaltungskosten gibt. Sollen wir es so machen?«
Viviane antwortete nicht. Auf diese Weise rundete Zecher-Koko also seine Monatsenden auf, wahrscheinlich schon am Anfang des Monats, und sein Gewinn war vermutlich höher als sein Gehalt. Klammheimlich, still und leise. Wie viele Gläser ließen sich aus so einer riesigen Schale befüllen? Selbst wenn Königin ihre Ouzo- und Likörflaschen zählte– Zecher-Koko brauchte ja nur unbemerkt seine eigenen Flaschen zu kaufen. Wahrscheinlich zahlte er seinen Heydudas, die die Gäste zum Trinken einluden, eine Kommission und alle waren zufrieden, nur nicht King, Königin und ihr Buchhalter. Viviane beobachtete die Tänzer, die zur Bar gingen und ihr Portemonnaie öffneten. Die Vorausschauenden hatten sich sogar mit einer Bankkarte ausgerüstet, die sie in der Hemdtasche trugen. Zecher-Koko bediente, lachte und spielte zwischen zwei Kunden den DJ .
» Einverstanden mit dem Papagallo?«, fragte der Heyduda nach.
» Einverstanden, aber du musst mir einen Gefallen tun: Bitte Zecher-Koko um ein paar Tangos.«
» Tangos? So etwas tanzen wir hier nie.«
» Oh doch, ich will jetzt Tango tanzen.«
Der Heyduda ging zu Zecher-Koko, brachte die Papagallos und setzte sich zu der Kommissarin an den Tisch. » Und, Ferien?«
Ein solcher Einstieg versprach einen höchst anspruchsvollen Dialog. Viviane lächelte matt. Er streichelte mit seinem Blick über sie, und sie seufzte– er flirtete mit ihr, der Armleuchter. Sie drehte den Kopf in Richtung Bar. Es wurden mehr und mehr Nachtschwärmer, vor allem junge Leute, Willy hatte recht. Manche liefen nur vorbei, zogen ihren Partner ins
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