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Tote Maedchen schreiben keine Briefe

Tote Maedchen schreiben keine Briefe

Titel: Tote Maedchen schreiben keine Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Giles
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noch, wie Griesgram sagte, Scheusal sei so bösartig, dass er sie aus sicherer Entfernung mit einer Schleuder füttern müsste?« Ich war völlig von der Unterhaltung gefangen. »Und wie war das mit dem Hund?«
    Jazz wusste gleich, wovon ich sprach: »Er sagte, neben ihr würde der Wachhund auf einem Schrottplatz wie der Osterhase wirken.«
    Mom wedelte mit der Hand in der Luft. »Ihr kennt ja nur einen Bruchteil der Geschichten. Als ich ein Kind war, sagte Dad, Mom könne mit einem einzigen Blick dafür sorgen, dass ich aufhörte zu wachsen.« Das Lachen schwoll wieder an. »Und ich habe ihm geglaubt.«
    »Wer hätte das nicht?«, fügte Jazz hinzu. Sie kreuzte die Finger, als wolle sie einen Vampir abwehren.
    »Dafür landen wir alle auf direktem Weg in der Hölle«, erklärte Mom und rang um Fassung.
    »Oh, ich hoffe nicht«, erwiderte Dad. »Denkt nur, dann würden wir nach dem Tod da mit Scheusal festsitzen.«
    »Dan!« Lily schlug mit ihrer Serviette nach ihm. »Um Himmels willen, versuch doch, ein gutes Beispiel zu geben.«
    Ich fasste es nicht. Mom flirtete.
    »Mom, was auch immer wir Fieses über Scheusal sagen, sie hat es schon über uns gesagt«, warf Jazz ein.
    »Jep«, bekräftigte Dad, »und nicht erst seit gestern.«
    »Ich wüsste gern, wie jemand auf die Idee kommt, seinem Kind einen solch scheußlichen Namen wie Nasturtium, Brunnenkresse, zu geben. Da würde ich auch zum Scheusal werden«, erklärte ich.
    Mom blickte uns an. Niemand sagte ein Wort.
    Dann schob sie den Stuhl zurück. Ihre Stimme zitterte und ihre Augen wurden feucht. »Meine Mutter scheint wieder einmal ein Familienessen verdorben zu haben. Ich kann nichts essen, wenn sie dabei ist - egal, ob sie mit am Tisch sitzt oder nur ihr boshafter Geist anwesend ist.« Sie stand auf und wollte ins Wohnzimmer gehen, schwankte aber und klammerte sich an die Stuhllehne.
    »Lily!« Dad sprang auf und stieß sich polternd das Knie am Tisch, sodass Gläser und Besteck durcheinandertanzten. Er eilte zu ihr und nahm sie schützend in den Arm. »Beruhige dich.«
    Mom vergrub schluchzend den Kopf an seiner Schulter. »Ich kann nicht ... es ist nur ... ich ...« Sie schluchzte heftiger und murmelte den abgedroschenen Satz: »Ich glaube, ich reagiere schlecht auf meine Medikamente oder so.«
    Dad half Mom behutsam, sich zu setzen. Ihre Verwirrung und ihr Kummer ließen ihn zurückschrecken. »Sunny, kümmere dich um deine Mutter.« Er rieb die Hände an den Hosenbeinen, als wollte er sie abwischen. »Sie braucht etwas Ruhe und sollte sich eine Weile hinlegen. Ich rege sie nur auf, also ... also gehe ich jetzt.« Er wich rückwärts zurück, als wollte er uns von einer Verfolgung abhalten, erreichte die Schwingtür zur Küche, stürzte hindurch und nur einen Wimpernschlag später knallte er auch schon die Fliegengittertür hinter sich zu.
    »Die Ratten verlassen das sinkende Schiff«, stellte ich fest. »Wie immer.« Ich ging zu Mom hinüber. »Du hast gestern Abend und heute Morgen deine Tabletten nicht genommen, oder?«
    »Nein, ich ... ich ... ich meine ... Jazz ist ja jetzt zurück und ...« Mom wedelte apathisch mit der Hand vor ihrem Gesicht herum. »Ich weiß nicht... ich ... erinnere mich nicht.«
    »Gehen wir nach oben, Mom. Es war ein aufregender Tag. Du brauchst ein wenig Schlaf.« Ich half meiner Mutter beim Aufstehen und führte sie in Richtung Treppe.
    »Vielleicht lege ich mich nur ein wenig hin.« Mom versuchte ein schwaches Lächeln. Es fand nur zögerlich und stockend den Weg auf ihre Lippen. »Jazz, Liebling. Ich bin so froh ... du bist... so froh, dass ...«
    Jazz strich Mom über das Haar. »Ich weiß, Mom. Ich weiß.«
    Ich bugsierte Mom die Treppe hinauf und dann in ihr Zimmer, wo ich darüber wachte, dass sie ihre Tabletten nahm, bevor ich sie fest zudeckte, als wäre sie ein zartes, verängstigtes Kind.
    »Schlaf gut, Mom. Ich kümmere mich unten um alles.«
    »Jazz wird doch noch ... sie wird nicht...?«
    Ich seufzte und rieb mir den Nacken. »Nein, Mom. Jazz geht nicht weg«, erwiderte ich. »Sie wird noch da sein.«

8. Kapitel
    A ls ich ins Esszimmer kam, schob Jazz gerade die oberste Schublade der Anrichte zu.
    »Was suchst du?«, fragte ich.
    »Die Tischdecke muss gewaschen werden.« Sie deutete auf die Soßenflecken. »Ich habe nach einer anderen gesucht.«
    »Die Mühe kannst du dir sparen. Wir legen in letzter Zeit wenig Wert auf Förmlichkeiten.«
    Jazz nickte und begann, den Tisch abzuräumen.
    »Danke für die Hilfe«,

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