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Tote Mädchen

Tote Mädchen

Titel: Tote Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Calder
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Primavera.
    »Wo kommst du denn her, mein hübscher Freund?« Die falsche Primavera. Sie trug einen Stringtanga, und ihr Akzent war tiefster Big Weird.
    »Primavera?« Ich schaute mich um. Sie unterhielt sich mit einem ihrer Doppelgänger.
    Glas zerbarst neben mir an der Wand. »Das ist Blut!«, krächzte Morgenstern.
    »Wahrscheinlich meins«, erwiderte ich. »Diese Stadt hat sich gut eingedeckt.« Ich suchte mir einen Sitzplatz. Auf meinem Hocker lag etwas. Eine mechanische Brustdrüse. Ich versuchte, sie herunterzuwischen. Dumm von mir. Die Brust war substanzlos, und meine Hand glitt durch abgetrenntes Gewebe. Hier wimmelte es nur so von Holo-Mist.
    »Ein Drink?«
    »Habt ihr irgendwas, das nicht rot ist?« Das Barmädchen deutete auf eine Flasche weißgelber Crème. »Dann nicht«, sagte ich und wandte mich einer Handvoll Primaveras zu (die darauf programmiert waren, gelangweilt auszusehen, damit sie menschenähnlicher wirkten), die sich auf der Tanzfläche hin und her ... Die Musik brach ab; lief weiter. Oh doctor, doctor, I wish you wouldn’t do that . Die Imps hatten es geschafft. Die ganze Stadt sprach über sie. Die ganze Galaxis! Heilige Scheiße, sie waren die Nummer eins.
    Nummer eins. Das war auch der Name der Doppelgängerin, die in dem Moment von der Bühne sprang, sich auf die Bar kniete und nur wenige Zentimeter vor meinem Gesicht eine Show abzog, bei der sich ein menschliches Mädchen alles Mögliche ausgerenkt hätte. Ich schaute zwischen ihren Beinen hindurch zu den anderen Tänzerinnen hinüber, die auf der Bühne um einen Glasbottich herumstolzierten. In der mit Kohlensäure gesättigten Flüssigkeit in dem Bottich schwamm eine erst halb entwickelte Gynoide und musterte mich mit dem geistlosen Blick einer geistlosen Schöpfung. Ihre Geburt würde kein Wunder der Wissenschaft sein. Über ihr wies ein neurales Netzwerk mit raubkopierter Software die Mikroroboter in dem Bottich an, eine Puppe zu duplizieren ‒ eine Cartier, eine Seiko oder eine Rolex, ganz nach Wunsch. Das geschah nicht, indem Grundelemente genetisch verändert wurden, sondern indem die atomare Struktur eines (Gerüchten zufolge gewaltsam abgetriebenen) menschlichen Fötus umgestaltet wurde. Illegal natürlich. So wie auch synthetisches Benzin illegal war. Und Prostitution, Dermaplast und psychotropisches Parfum. Aber diese Traumbar gehörte zum Weird, und im Weird regierte das Geld; mit verbotenen Technologien wurden hier Unsummen verdient ‒ in ausländischen Devisen. Eine Gynoide kostete nicht viel und warf schnell Gewinn ab; und wer Gewinn machte, war ein Patriot.
    Primavera trat zu mir. »Nummer dreizehn sagt, Dr. T sei hier gewesen und wieder abgezischt. Wir haben ihn verpasst, Iggy. Und niemand, wirklich niemand weiß, wo dieser Grosvenor Square sein soll.« Meine Tänzerin erging sich in einer Folge von Unterleibszuckungen, die so heftig waren, dass ich befürchtete, sie könnte sich dabei etwas antun. »Diese kleine Schlampe«, sagte Primavera. »Ich hätte nie gedacht, dass ich mal so aussehen würde. Schau sie dir doch an: Das ist keine Bobinski mehr. Von wegen Belle Époque! Außer einer Gynoiden ist da nichts mehr übrig.« Primavera beugte sich über die Bar, packte die Tänzerin bei den Haaren und versetzte ihr eine Ohrfeige. Fest. »Bin ich hier die Einzige, die noch wach ist?« Sie schlug erneut zu. Fester. Aber ihr Spiegelbild zersplitterte nicht.
    »Hee«, sagte Morgenstern. Er stand in der Tür, um Luft zu schnappen. »Da draußen geht irgendwas ab.«
    Vom Eingang konnte man in eine Gasse blicken, wo eine in einen dunklen Umhang gehüllte Gestalt mit einem wimmernden Mädchen rang.
    »Ein Puppenripper«, sagte eines der Barmädchen.
    Primavera strich sich die Haare aus dem Gesicht. »Nanobot?« Das Barmädchen nickte. Primavera schob uns beiseite und war mit einem Sprung auf der halb überfluteten Straße.
    Es ist immer das Gleiche ‒ die Feuertreppen und gesicherten Fenster; das Mädchen im Partykleid, das du gegen die Gassenmauer drückst; das Schnickschnack! Schnickschnack! von Stahl auf Eckzähnen, das Keuchen und die überraschte Miene: Hach, tut das weh!
    »Los, kommen Sie«, sagte ich zu Morgenstern.
    »Moment mal. Das Ding da draußen ...«
    Ich zog ihn hinter mir her, und wir stiegen in die Autorikscha. »Ihr nach«, sagte ich zu der Fahrerin, während Primavera durch das flache Wasser plantschte. Vor uns sprintete der anthropomorphe Virus ‒ den Umhang aufgebauscht wie der Bösewicht in einer

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