Tote Männer Milch (German Edition)
uns!“, stieß Isolde unvermittelt hervor und leerte ihr Glas in einem Rutsch, wogegen Maibach noch an der Verbindlichkeit ihrer Aussage schluckte. Er wollte etwas sagen, wusste aber nicht was. Dafür sah ihn Isolde vielsagend an. Sie hatte sich bereits das zweite Glas eingeschenkt, was Herrn Maibach daran erinnerte, dass er sich mit einem Glas im Rückstand befand.
„Zum Wohl“, murmelte er matt und kippte sich den Sherry in die Kehle.
„Auf unser Wohl!“, korrigierte Isolde neckisch und betrachtete ihr Gegenüber wie eine Mutter, die auf ihr wohlgeratenes Kind blickte, während sie dabei genüsslich an ihrem Glas nippte.
„Besser?“
Maibach nickte und blickte rammdösig in sein leeres Glas. Isolde erhob sich und schenkte ihn wortlos nach.
„Nun…“, begann sie, als sie wieder Platz genommen hatte, „wie ist es denn passiert?“
„Ich weiß es nicht“, beteuerte Maibach gereizt, „ich war ja nicht dabei!“
Für einen Augenblick hielt Isolde inne, als würde sie an dieser Lüge weiterfeilen.
„Ich auch nicht“, erwiderte sie steif und trank ihr Glas aus.
Beide schwiegen einige Sekunden lang und vermieden es, sich auch noch dabei anzusehen.
„Als ich heimkam“, nahm Maibach den Faden wieder auf, „war sie nicht im Haus. Ich bin dann in den Garten gegangen – da hab ich sie gesehen, wie sie im Schwimmbecken lag. Ich bin Hals über Kopf ins Wasser gesprungen und habe sie rausgezogen. Sie hat sich nicht bewegt, nicht mehr geatmet. Ich habe sofort den Notarzt alarmiert und versucht, sie wiederzubeleben – bis Hilfe kam. Der Arzt hat eine Platzwunde an ihrem Hinterkopf festgestellt. Die ist mir gar nicht aufgefallen. Er vermutete, dass sie gestürzt und durch den Aufprall ohnmächtig geworden und dann ins Wasser gefallen sei.“
„Ist die Kripo der gleichen Meinung?“, hakte Isolde nach.
„Warum sollte sie anderer Meinung sein?“
„Weil es deren Job ist“, schnippte Isolde zurück.
„Es war ein Unglücksfall“, warf Maibach fahrig ein. „Ein unglücklicher Fall, im wahrsten Sinne des Wortes.“
Isolde hob pikiert die Augenbrauen.
„Ich will ja nicht pingelig erscheinen, aber Sie vergaßen die Todesfolge zu erwähnen.“
„Sie ist ertrunken. Die Dame von der Polizei…“
„Kriminalpolizei!“, fuhr Isolde dazwischen.
„Also, die Dame von der Kriminalpolizei erweckte mir nicht den Eindruck, als wäre sie anderer Meinung.“
„Nun, das wollen wir beide hoffen“, schloss Isolde begütigend das Thema ab. „Was machen wir jetzt mit dem Hund? Der guckt so komisch.“
Maibach runzelte die Stirn. „Ich glaube, ich würde auch so gucken. Wenn ich gefesselt wäre“, meinte er. „Warum ist das Tier eigentlich festgebunden?“
„Warum wohl? Damit es nicht wegläuft!“
Maibach stieß einen höhnischen Lacher hervor.
„Vor dir kann man doch gar nicht davon laufen…apropos, wo ist eigentlich dein Mann?“, fuhr er im gleichen Atemzug fort.
Isolde zuckte kurz zusammen, dann straffte sie couragiert ihre Schultern, hob trotzig ihr Kinn und sah plötzlich aus, als hätte sie einen Besenstiel verschluckt.
„Mein Mann verweilt nicht mehr unter den Lebenden“, verkündete sie reserviert. „Das Schicksal hat ihn ereilt. Er ist gestürzt, bei einer Bergwanderung – ein Unglücksfall.“ Sie hob seufzend die Schultern. „Nun ja, sein Herz, das … das war nicht mehr das zuverlässigste … im wahrsten Sinne des Wortes“, fügte sie noch bedeutungsschwanger hinzu.
„Oh, dass tut mir leid…“ Maibach legte mitfühlend seine Hand auf Isoldes Knie.
„Mir nicht“, erwiderte Isolde steif, wobei sie sanft seine schmalen Finger streichelte und mit leichtem Gegendruck das zaghafte Zurückzucken seiner Hand abfing.
„Und was ist mit Ihnen? Sind Sie sehr traurig, über den Verlust Ihrer Frau?“, fuhr sie zögerlich fort. Dabei entwickelte sie ein sanft spürbares Drängen in ihrem Ton.
Schweigend schielte Maibach auf seine Hand, die wie ein Pfand auf Isoldes Knie lag. Er entzog sie ihr, mit dem Bewusstsein, dass er Isolde einen angemessenen Ersatz schuldete. Eine Antwort. Eine wohlüberlegte.
„Es sind mehr die Umstände, wie sie verlustig gegangen ist“, antwortete er endlich. „Es wäre mir lieber gewesen, sie wäre mir auf eine – sagen wir mal – freundlichere Art abhandengekommen.“
Er lächelte gezwungen, während er sich eine Zigarre zwischen die Lippen steckte. Das Mundstück abbiss, auf den Boden spuckte und suchend sein Hemd abtastete.
Pflichteifrig
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