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Tote Pracht

Tote Pracht

Titel: Tote Pracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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an.«
     
    Willie Whelans Hauptgeschäft lag auf
der Südseite der Market Street zwischen der Seventh und Eighth Street, in einer
recht zweifelhaften Gegend, die von dem, was die Stadtplaner gerne »die
Renaissance der Market Street« nennen, nur sehr wenig profitiert hat. Die
wirkliche Wiedergeburt findet weiter im Stadtzentrum statt, wo Hochhäuser wie
Pilze aus dem Boden schießen und Einkaufslustige sich nun vorsichtig in das
ehemalige Minenfeld im Krieg zwischen den Besitzenden und den Habenichtsen
wagen. Der Häuserblock, in dem sich Willies Juwelierladen befand, hatte sich
kaum verändert: Obdachlose schoben Einkaufswagen mit ihrem ganzen Hab und Gut
durch die Gegend; Penner lagen auf den Bänken, die Teil der
Verschönerungsbemühungen waren; Händler verscherbelten ihre Billigwaren am
Bürgersteig; vor den meisten Eingängen standen private Wachposten.
    Als ich den Laden wenige Minuten nach
fünf betrat, war Willie schon da und pries einem jungen asiatischen Paar die
Vorzüge eines Ringes mit dem kleinsten Diamanten der Welt an. Er deutete auf
den Ring und gestikulierte dann heftig; das Pärchen schaute sich an und nickte
zweifelnd. Dann beschwatzte er sie weiter, sie nickten wieder — und dieses Mal
ein bißchen überzeugter. Als sie beide entschlossen nickten, lächelte er ihnen
hocherfreut zu, beglückwünschte sie zu ihrem Entschluß und zog unter der
Ladentheke einen Kreditantrag hervor. Während das Pärchen sich ans Ausfüllen
machte, winkte er mir siegesgewiß zu.
    »Ist Hank schon da?« fragte ich und
lächelte den jüngsten Opfern von Willies Verkaufskünsten mitleidig zu.
    »Er hat angerufen, daß er ein paar
Minuten später kommt.«
    »Ich muß sowieso noch mal
telefonieren.«
    »Benutz doch mein Büro — du weißt ja,
wo es ist.«
    »Danke.« Ich ging die Haupttheke, an
der er stand, entlang und durch eine Öffnung in dem kleineren Ladentisch, der
an drei Seiten des Verkaufsraums verlief. Zahlreiche Kunden — von denen keiner
besonders liquide aussah — beugten sich über die ausgestellten Uhren,
Glücksbringer und Ringe mit Geburtssteinen. Hinter dem Ladentisch war eine Tür;
dahinter befanden sich das Lager und Willies Büro.
    Als erstes rief ich den Wolf an, aber
ich erreichte nur seinen Anrufbeantworter. Das überraschte mich nicht; er und
sein Geschäftspartner verbringen mehr Zeit im Außendienst als im Büro. Ich
hinterließ eine kurze Nachricht. Dann rief ich bei All Souls an und erreichte
Rae, die gerade nach Hause gehen wollte.
    »Oh, gut«, sagte sie. »Ich habe die
Informationen über American Consolidated Services. Das ist ein staatlich
konzessionierter Betrieb, der Gaststätten und Kantinen auf Militärbasen überall
in der Welt unterhält.«
    »So etwas dachte ich mir schon. Hast du
etwas über Bob Smith erfahren können?«
    »Leider nicht. Die Leute wissen, daß er
tot ist, und die Person, mit der ich sprach, wurde mißtrauisch, als ich nach
ihm fragte.«
    »Das macht nichts. Ich weiß jetzt
genug, und wenn die Polizei öffentliche Nachforschungen betreiben will, wird das
nur meine Vermutung bestätigen.«
    »Shar, worum geht es denn eigentlich?«
    »Das erzähle ich dir später.«
    »Das sagst du immer, aber ich bin nie
auf dem laufenden.«
    »Hab Geduld. Ich muß jetzt aufhören.«
Als ich den Hörer auflegte, öffnete sich die Tür zum Büro, und Willie und Hank
traten ein.
    Hank schaute sich in dem engen Kabuff
um und setzte sich dann auf den Klappstuhl unter dem Fenster. Willie hockte
sich auf den Rand des Schreibtisches und ließ seinen Fuß, der in einem
Cowboystiefel steckte, baumeln. Er sagte: »Ich hoffe nur, daß es um etwas
Wichtiges geht, McCone. Ich mußte den Besuch in meinem Laden in Oakland
abkürzen, um pünktlich wieder hier zu sein.«
    »Das ist es.« Ich öffnete meinen Aktenkoffer
und nahm den Notizblock heraus, den ich morgens bei der Polizei für meine
Aufzeichnungen benutzt hatte.
    »Na, willst du uns nicht endlich
aufklären?« fragte Hank. »Ich wollte früher heimgehen, aber deine Nachricht hat
mich so lange bei All Souls aufgehalten, daß mich noch ein Mandant mit einem
Notfall angerufen hat, und nun muß ich heute abend wieder arbeiten.«
    Ich versuchte, ihnen das Leben zu
retten, und sie beklagten sich, daß ich ihnen die Zeit stahl! »Habe ich euch je
gesagt, was für entsetzliche Nervensägen ihr seid?« Diese Worte und mein Ton
waren ungewöhnlich barsch für mich; Hank und Willie sahen beide überrascht aus.
Sie wechselten einen Blick, aber

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