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Tote Pracht

Tote Pracht

Titel: Tote Pracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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schnippte
dann mit den Fingern. »Johnny Owens. Ich hätte an ihn denken müssen. Das war
ein Verrückter, der wollte den faschistischen Leutnant tatsächlich umbringen.
Er hätte es vermutlich auch getan, wenn sie ihn nicht nach Saigon versetzt
hätten. Es würde mich interessieren, was aus dem Spinner geworden ist.«
    »Er war das dritte Opfer des
Heckenschützen.«
    Willies Kinnlade klappte herunter.
Hanks Gesicht wurde ganz starr und ruhig — so sah er immer aus, wenn ihm bei Gericht
etwas Unerwartetes passierte.
    »Gehörten eigentlich Frauen zu eurer
Gruppe?«
    »Ein paar. Vor allem
Krankenschwestern«, sagte Hank.
    »Eine Rotkreuzschwester namens Mary
Johnson?«
    »...Das ist so ein häufiger Name.«
    »Ich kann mich an sie erinnern«, sagte Willie.
»Sie war nicht lange da. Eine Blondine mit einem Verlobten bei den Marines. Ich
war hinter ihr her, aber sie wollte nichts von mir.«
    Hank schaute mich an. »Mary auch?«
    »Das zweite Opfer.«
    »Warum ist mir das nicht klargeworden,
als ich den Artikel in der Zeitung gelesen habe? Oder die Geschichte mit
Johnny?«
    »Mary Johnson hatte geheiratet und trug
den Namen Davis. Aber selbst wenn sie ihren Namen nicht geändert hätte und
Owens’ Name ausgefallener gewesen wäre, hättest du keinen Grund gehabt, sie mit
Leuten in Verbindung zu bringen, die du in einem Lokal in Vietnam zufällig
kennengelernt hattest. Das ist einfach schon zu lange her.«
    Sie schwiegen einen Augenblick.
Schließlich fragte Willie: »Was ist mit dem ersten Opfer?«
    »Er war der einzige, der ursprünglich
nicht in das Bild paßte. Bob Smith. Ein Herumtreiber, der vorwiegend in
Gaststätten arbeitete. Aber ich habe da eine Erklärung. Das Militär wurde meist
von zivilen Unternehmern mit Lebensmitteln versorgt. Wie hieß die Firma, die
eure Base betreute?«
    Hank schüttelte den Kopf. Willie sagte:
»Das muß mir jetzt wirklich einfallen. Nachdem ich immer so über das Essen
gelästert habe. Welchen Spitznamen hatten wir ihnen doch noch gegeben?«
    Hank lächelte schwach. »American
Kotzigated.«
    »American Consolidated Service«, sagte
ich.
    »Richtig!«
    »Dann haben wir die Verbindung. Ihr
erinnert euch vielleicht nicht mehr an Bob Smith, aber er arbeitete im
fraglichen Zeitraum für American Consolidated, und ich traue mich zu wetten,
daß er auch mit euch im ›Rouge et Noir‹ war.«
    »In Ordnung«, sagte Hank. »Ich
verstehe, worauf du hinauswillst. Jemand, dem unsere politischen Ansichten und
unsere Mißachtung der Konventionen nicht gefiel, spürt jetzt — nach fast
zwanzig Jahren — Leute aus unserer Gruppe auf und tötet sie. Aber warum erst
jetzt? Und wie findet er uns?«
    »In Willies Fall ist das recht einfach —
die Werbesendungen im Fernsehen. Und du benimmst dich auch nicht gerade
unauffällig. Auf die anderen ist er vielleicht zufällig oder umständehalber
gestoßen.«
    Willie schüttelte den Kopf. »McCone,
das ist verdammt verrückt. Der Kerl muß wahnsinnig sein.«
    »Wann hast du je gehört, daß ein
normaler Mensch andere mit einer Waffe verfolgt hat?«
    Sie schwiegen wieder. Ich kaute an
einem Gedanken herum, den ich mit Greg besprechen wollte. Nach einer Weile
sagte ich: »Es ist im Moment das wichtigste, daß ihr beide euch schützt. Ihr
werdet ganz besonders vorsichtig sein — auch bei Tageslicht. Er hat einmal
daneben geschossen, und das hat ihn vielleicht ungeduldig gemacht.«
    »Mach dir um mich keine Sorgen«,
antwortete Willie. »Ich gehe heim und sperre mich ein, bis alles vorbei ist.«
    »Und du«, sagte ich zu Hank, »gehst in
die Kanzlei zurück?«
    »Ich muß. Wie ich schon sagte, habe ich
da einen dringenden Fall.«
    »Warum übernachtest du nicht dort?«
    »Wo? Auf dem Sofa? Ich habe das letzten
Winter versucht, als Anne-Marie und ich uns getrennt hatten, und ich habe
nächtelang nicht geschlafen; ich brauche meinen Schlaf.«
    »In Ordnung — dann geh eben in die
Kanzlei. Aber rühr dich nicht von dort weg, bevor ich komme.«
    »Und was willst du dann tun?«
    »Ich werde auf dem Nachhauseweg dein
Leibwächter sein.«
    »Shar, da fühle ich mich ja wie ein
alter Mann, dem eine Pfadfinderin über die Straße hilft.«
    »So machen wir es, ob es dir paßt oder
nicht.«
    Hank nickte nur; mein offensichtlicher
Ärger schüchterte ihn ein.
    Ich stand auf und stopfte den
Notizblock in meine Aktentasche. »Da ist noch etwas, was ihr tun könnt: Denkt
über die Kriegstreiber in der Bar nach. Versucht euch an Auseinandersetzungen
und Drohungen zu

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