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Tote Pracht

Tote Pracht

Titel: Tote Pracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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keiner sagte etwas.
    »Als erstes muß ich euch einige Fragen
über Vietnam im Jahre neunzehnhundertsiebzig stellen. Ihr wart beide zur
gleichen Zeit wie Perry Hilderly in Cam Ranh Bay?«
    Hank nickte.
    »Und Hilderly hat sich mit einigen von
euch getroffen?«
    »Ja, in einer Bar außerhalb des
Militärgeländes... Wie hieß das Lokal noch mal, Willie?«
    »Irgend etwas Französisches.«
    »Moulin Rouge? Rouge et Noir?«
    »Rouge et Noir«, sagte Willie.
    »Gutes Gedächtnis.«
    »Wer war sonst noch mit euch zusammen?«
    Hank sah ratlos aus und warf Willie
einen fragenden Blick zu. Willie zuckte die Achseln. »Nun, die Leute kamen und
gingen«, sagte Hank. »An einem Ort wie Cam Ranh war die Fluktuation groß.«
    »Es handelte sich also um einen großen
Armeestützpunkt?«
    »Cam Ranh selbst war ein Hafen. Der
Stützpunkt war von den USA für den Fall errichtet worden, daß Saigon fiel. Es
gab ein Armeedepot für Nachschub, wo Willie und ich stationiert waren; Basen
für Marine und Luftwaffe, einen Fliegerhorst, der den Umkreis bediente, und ein
Krankenhaus. Etwa zwanzigtausend Militärs waren dort stationiert und weiß der
Himmel wie viele Zivilisten.« Er grinste ironisch. »Die Regierung hat
Milliarden an Steuergeldern bei Cam Ranh in den Sand gesetzt; nach dem Rückzug
wurde es zur Geisterstadt. Heute ist Cam Ranh ein Anlaufhafen für sowjetische
Schiffe.«
    »Das heißt also, ihr könnt euch kaum an
einzelne Personen erinnern, mit denen ihr eure Freizeit verbracht habt.«
    »An einige kann ich mich vermutlich
erinnern, an Leute, die länger da waren. Aber wie gesagt, das war ein Kommen
und Gehen.«
    Ich lehnte mich in dem
Schreibtischstuhl zurück und dachte darüber nach, was ich über das Militär so
wußte. Da kam einiges zusammen; mein Vater war Unteroffizier in der Marine
gewesen, als Zeitsoldat für dreißig Jahre. »Laßt uns einen Augenblick lang über
die Leute sprechen, von denen wir wissen, daß sie dort waren. Du« — ich deutete
auf Hank — »wurdest durch den Krieg politisch aktiv, gingst als Liberaler nach
Vietnam und kamst als Radikaler zurück. Hilderly war Kriegsgegner, Reporter und
Zivilist. Und du« — ich schaute Willie an — »warst wohl auch nicht der Soldat,
von dem die Armee träumt. Außerdem war Hank Offizier. Es ist doch ziemlich
ungewöhnlich, daß Offiziere und gewöhnliche Soldaten miteinander verkehren.«
    »Na ja«, sagte Hank, »in einem
Kampfgebiet ist das vielleicht etwas anders. Aber im Grunde hast du recht, wir
Liberalen paßten nicht so recht dazu.«
    »Ich nehme also an, daß eure Gruppe
Aufmerksamkeit erregte, bei den Falken auf Ablehnung stieß?«
    »Ja, das stimmt«, sagte Willie. »Es war
immer, als ob alle in unserer Ecke des Lokals Lepra hätten, es sei denn, irgend
so ein Arschloch suchte Streit.« Zu Hank gewandt fügte er hinzu: »Erinnerst du
dich noch an den Abend, als ich den Streit mit dem faschistischen Leutnant
hatte? Wenn du nicht eingegriffen hättest, wäre ich sicherlich vors
Kriegsgericht gekommen.«
    Ich setzte mich auf. »Kannst du dich
noch an den Namen des Leutnants erinnern?«
    »...Nein. Und du, Hank?«
    Hank schüttelte den Kopf.
    »Kannst du dich noch an etwas erinnern,
das dir an ihm auffiel?«
    »Nein, nur noch an seine Einstellung.«
    »Könnt ihr euch noch an andere
erinnern, die Streit mit euch suchten oder sich sonst mit euch anlegen
wollten?« fragte ich.
    »Da gab es jede Menge, aber nach der
langen Zeit sind die Namen und die Gesichter recht verschwommen.«
    »Hank?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ehrlich
gesagt, habe ich versucht, die damalige Zeit schleunigst zu vergessen.«
    »Versetzt euch doch in das ›Rouge et
Noir‹ zurück. Stellt euch vor, wie ihr da in der Ecke saßt. Wer war da sonst
noch?«
    Beide schlossen die Augen. Nach einem
Augenblick sagte Willie: »Dieser Funker, der bei dem Patrouillenflug ums Leben
kam.«
    »Verzeiht mir. Ich hätte euch sagen
sollen, daß ich nur an Leuten interessiert bin, die eures Wissens nach noch
leben.«
    Wieder Schweigen. Dann sagte Hank zu
Willie: »Der Typ aus Atlanta — der, der Martin Luther King getroffen hatte.«
    »Bernie — der biß bei Da Nang ins
Gras.«
    »Mike, der immer den tollen Stoff
hatte?«
    »Auch tot.«
    »Und was ist mit Chris aus
Philadelphia?«
    »Hubschrauberabsturz.«
    Wenn sie so weitermachten, würde das
wie die Lesung des Vietnamdenkmals klingen. »Wie steht es mit John Owens?«
fragte ich.
    »Owens?« fragte Hank.
    Willie runzelte die Stirn und

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