Tote reden nicht - Gyllander, V: Tote reden nicht - Det som vilar pa botten
Berichte über Hinrichtungen von angeblichen Spionen das Risiko für alle Ausländer erhöht hätten. Auch für Nahid, aber er wusste nicht, wo sie sich aufhielt.
Er hatte nicht angerufen, und Holtz war so in seine Ermittlung vertieft gewesen, dass er seine Unruhe fast vergessen hatte. Oder verdrängt hatte. Er hatte andere Dinge im Kopf gehabt.
Nahids Gesicht verschwand, und stattdessen tauchte Rita Murenius begleitet von einem Gefühl der Scham vor seinem inneren Auge auf. Konnte man jemandem untreu sein, der einen verlassen hatte? Er glaubte schon. War es Untreue, wenn die Liebe nicht erwidert wurde? Vielleicht. Holtz schüttelte über sich selbst den Kopf und kehrte an seinen Schreibtisch zurück. Er suchte eine Weile nach der Fernbedienung und fand sie schließlich an ihrem Platz in der dritten Schublade von oben. Als Chef stand ihm ein Fernseher im Büro zu. Er schaltete ihn ein und griff gleichzeitig zum Telefon. Eine neue SMS. Sie kam von der Praxis, wo er die Proben abgegeben hatte. Zögernd öffnete er sie. »Alle Proben negativ.« Mehr stand nicht da. Es dauerte eine Sekunde, bis er verstand, was das hieß. Er hatte keine Geschlechtskrankheit. Erleichtert und froh ließ er sich in seinen Sessel sinken und wollte gerade das Handy in die Tasche stecken, als es klingelte.
»Hallo. Ich habe mir gerade überlegt, wann ich wohl von Ihnen hören würde … wie bitte?« Holtz hörte eine Minute lang zu, nahm dann das Handy vom Ohr und betrachtete es eine Sekunde lang, als hätte er es noch nie gesehen, dann führte er es mit einer langsamen Bewegung wieder ans Ohr.
Er musste sich verhört haben. Morteza Ghadjar sprach unzusammenhängend, aber die Stimme und die Worte, die Holtz gehört hatte, verbreiteten eine solche Eiseskälte in seinem Körper, dass er, noch ehe er die Verbindung unterbrochen hatte, die Hand wieder nach der Fernbedienung ausstreckte. Er hatte über zwanzig Sender und zappte sie rasch durch.
Bilder flimmerten vor seinen Augen. Jetzt war er bei den ausländischen Nachrichtensendern angekommen. Er hielt einige Male inne, schaltete dann aber immer weiter.
Da plötzlich.
Ein großer, staubiger Platz in einer Stadt. Die Bilder verwackelt und unscharf. Zahllose Menschen in bodenlangen hellen und schwarzen Kleidern. Ein Textstreifen mit fremden Buchstaben an der Oberkante. Inmitten des Platzes standen drei Kräne.
Drei schwarzgekleidete Menschen hingen von den ausgefahrenen Kränen herab.
Drei Frauen.
Das Einzige, was ihn zum Weitermachen bewegte, war sein schmerzendes Knie. Mit jedem Schritt, den er tat, wurde der Schmerz unversöhnlicher. Genau so wünschte er es.
Ulf Holtz lief im Dauerlauf und fror. Der Schmerz schickte wütende Signale an sein Gehirn und hinderte seine Gedanken daran, ihn ganz zu beherrschen. Die drei Frauen, die an den Stricken gehangen hatten. Die flatternden, schwarzen Kleider.
Er hatte sich Nahid nie in dunklen, alles verhüllenden Kleidern vorgestellt. Nachdem sie ihn verlassen hatte, um für das Rechtswesen im Iran zu arbeiten, hatte er vermieden, sich zu überlegen, was das eigentlich bedeutete. Aus irgendeinem Grund hatte er sie in einem modernen Labor in weißem Kittel vor sich gesehen. Ihr schwarzes Haar hatte sich wie ein Vorhang im Wind hin und her bewegt, wenn sie den Kopf wandte.
Aber Nahid war gar nicht in den Iran gereist, um die Justiz zu unterstützen. Im Gegenteil. Sie war dort gewesen, um Beweise zu sammeln, dass im Iran gefoltert wurde, um ihrem Land in einer Zeit des Umbruchs beizustehen. War das seine Schuld? Er erinnerte sich an die vielen Gespräche, die sie während der ersten Zeit ihrer Zweisamkeit geführt hatten. Er hatte ihr die ungeheure Bedeutung der Forensik erläutert und ihr dargelegt, wie sie sogar den Kampf um die Menschenrechte unterstützen konnte. Man könne nachweisen, wie Menschen zu Tode gekommen seien, hatte er gesagt. Ihre Unterhaltungen hatten oft von Menschlichkeit, Humanismus und Gerechtigkeit gehandelt. Aber was wusste er schon davon? Hatte er ihr diese Flausen in den Kopf gesetzt und sie in den Tod geschickt?
Der schwarze Stoff, der viele Meter über der Erde im Wind geflattert war. Der Leichnam hatte am Kranhaken im Wind geschaukelt. Holtz bewegte sich langsamer, als der Schmerz in seinem Knie unerträglich wurde. Er konnte nicht mehr. Er blieb an einer Bushaltestelle stehen und setzte sich auf die graffitibeschmierte Bank. Der Unterstand bot kaum Schutz vor dem kalten Wind. Er fröstelte, und sein ganzes Bein tat
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