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Tote reden nicht - Gyllander, V: Tote reden nicht - Det som vilar pa botten

Tote reden nicht - Gyllander, V: Tote reden nicht - Det som vilar pa botten

Titel: Tote reden nicht - Gyllander, V: Tote reden nicht - Det som vilar pa botten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Varg Gyllander
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Es dauerte einige Sekunden, bis sie begriff, worum es sich handelte. Erschüttert klappte sie die Mappe wieder zu und schob sie beiseite. Sie starrte sie an und streckte dann ganz langsam die Hand nach dem nächsten Ordner aus. Das Gummiband schnalzte, als sie es abstreifte. Sie blätterte die Seiten rasch durch und öffnete dann eine Mappe nach der anderen. Sie schämte sich, weil sie etwas tat, das sie eigentlich nicht tun sollte, empfand aber gleichzeitig auch ein Gefühl von Ohnmacht, Trauer und Wut.
    Sie stellte fest, dass sich der Inhalt der gelben Mappen ähnelte. Es gab mehrere dicht beschriebene Seiten, Berichte und Vernehmungsprotokolle. Außerdem Nahaufnahmen verängstigter Kindergesichter mit blauen Augen. Kleinkinder mit Spuren von Misshandlungen und Kinderleichen. Einige Fotos waren schwarzweiß. Todesanzeigen fand sie auch.
    Nachdem sie den ersten Schock überwunden hatte, ging sie das Material systematisch durch. Einige Fälle lagen nur wenige Jahre, einer mehrere Jahrzehnte zurück.
    Beata saß am Küchentisch und las, und die Nacht verging. Sie holte sich irgendwann noch ein Glas Wein, trank aber sehr langsam, um einen klaren Kopf zu behalten. Ab und zu jammerte Pia in ihrer Schlafnische, und Beata hörte, wie sie sich hin und her wälzte. Einige Male schrie sie auch, aber Beata konnte keine Worte verstehen.
    Die letzte Mappe enthielt einen Fall, der über dreißig Jahre zurücklag. Die Protokolle waren mit Schreibmaschine geschrieben. Ungleichmäßig aneinandergereihte Buchstaben, handschriftliche, aber durchaus lesbare Änderungen. Sie überflog den Text. Kindesmisshandlung, genau wie die anderen Fälle. Eine Achtjährige, die vor einem Krankenhaus abgesetzt worden war, allein und fast bewusstlos, gebrochene Arme und Beine. Innere Blutungen. Kein Vernehmungsprotokoll des Mädchens, nur eine Notiz, dass sie schweige. Viele Auszüge aus der Krankenakte. Das Mädchen schien ausgesetzt worden zu sein, Angaben über die Eltern gab es keine. Ermittlungsfotos. Schwarzweißfotos mit weißem Rand und Polizeistempel auf der Rückseite. Auf einem der Fotos sah das Mädchen direkt in die Kamera. Unschuldige, gequälte Augen, die direkt in Beatas Seele zu blicken schienen. Ihr Magen verkrampfte sich. Obwohl viele Jahre vergangen waren, erkannte sie das Mädchen, das jetzt erwachsen war, wieder. Beata blätterte zur letzten Seite. Der Beschluss des Jugendamtes. Unterbringung bei Pflegeeltern auf dem Land. Familie Levin.
    Beata wurde bewusst, dass ihre neue Freundin Hilfe brauchte, und obwohl sie sie erst vierundzwanzig Stunden kannte, war ihr klar, dass sie diese Hilfe nicht ohne Widerstand annehmen würde. Aber Beata würde nicht lockerlassen.
    Um sechs Uhr morgens stapelte sie die Mappen auf dem Küchentisch. Dann kochte sie Kaffee und sah in den fast leeren Gefrierschrank. Sie fand ein paar Brötchen, die sie im Ofen aufwärmte. Sie kochte zwei Eier, zündete eine Kerze an, machte das Radio an und ging dann zu Pia, die die Decke abgestrampelt hatte und mit angezogenen Knien dalag.
    Beata kniete sich neben sie und zog die Decke wieder hoch. Sie strich ihr über die Wange und weinte leise.
    Pia erwachte langsam. Sie blinzelte, um sich an das Licht zu gewöhnen. Ihr Blick drückte Verwirrung und Wiedererkennen aus.
    Beata lächelte sie an.
    »Guten Morgen, ich habe Frühstück gemacht.«
    Pia schloss die Augen.
    »Danke«, sagte sie. Ihre Wimpern bewegten sich nicht.

G ert Andersson drehte die Flasche mit dem Schiff hin und her. Sollte er sie mitnehmen? Das Beste war vermutlich, sie an Bord zu lassen. Schließlich handelte es sich nur um ein Buddelschiff. Er hatte beschlossen, kaum etwas mitzunehmen, konnte sich aber nur schwer davon trennen. Das Buddelschiff symbolisierte das Gefühl, wirklich etwas bewerkstelligt zu haben.
    Andersson hatte keine sonderliche Begabung darin besessen, Dinge zu Ende zu bringen. Sein Leben war von havarierten Träumen, abgebrochenen Ausbildungen und Arbeiten, die keine Zukunft hatten, gesäumt. Dass es ihm gelungen war, zum Sicherheitschef befördert zu werden, erstaunte ihn immer noch. Eigentlich wusste er, dass das nichts zu bedeuten hatte. Er wurde nicht besser bezahlt als das übrige Sicherheitspersonal, und niemand befolgte seine Anweisungen. Der Titel war bedeutungslos, es gab ihn nur, weil es so Vorschrift war. Er erinnerte sich noch an das berauschende Gefühl, als ihn der Kapitän gefragt hatte, ob er den Posten haben wolle. Er war stolz gewesen. Aber als ihm aufgegangen

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